
Renate Harpprecht, 96 (14. Januar 1924 – 3. Januar 2021): Die in Breslau geborene Jüdin gehörte zu den wichtigsten Zeitzeugen der nationalsozialistischen Verbrechen. Nachdem ihre Eltern 1942 deportiert und ermordet worden waren, versuchte sie, mit ihrer ein Jahr jüngeren Schwester Anita in den unbesetzten Teil Frankreichs zu fliehen. Doch sie wurden gefasst, kamen erst nach Auschwitz und dann nach Bergen-Belsen. Beide überlebten die Konzentrationslager. Unmittelbar nach der Befreiung von Bergen-Belsen führte der Brite Patrick Gordon Walker ein Interview mit den Schwestern – inmitten der Leichen. Nach dem Krieg wurde Harpprecht Dolmetscherin für die britische Armee, arbeitete später als Journalistin für die BBC, den WDR und das ZDF. 1972 veröffentlichte sie ihren Roman »Familienspiele«. Noch im vergangenen Jahr sprach sie mit dem SPIEGEL über Antisemitismus und die Sicht von Auschwitz-Überlebenden auf die Gegenwart. Renate Harpprecht starb am 3. Januar in ihrer Wahlheimat La Croix-Valmer an der Côte d’Azur.
Lesen Sie hier den Nachruf auf die Auschwitz-Überlebende Renate Lasker-Harpprecht
Dmitrij Leltschuk

Gerry Marsden, 78 (24. September 1942 – 3. Januar 2021): Er machte aus einem Broadway-Song die wohl beliebteste Sporthymne der Welt, die seit Jahrzehnten von Fußballfans gesungen wird: »You’ll Never Walk Alone« wird nicht nur vor jedem Heimspiel des FC Liverpool intoniert, sondern auch in deutschen Stadien. Der Text beschwört den Zusammenhalt in schweren Zeiten und passt zu hart erkämpften Siegen wie auch zu bitteren Niederlagen. Der gebürtige Liverpooler Marsden hatte das Lied 1963 mit seiner Band Gerry and the Pacemakers gecovert. In dem Jahr kamen sie auf drei Nummer-eins-Hits in Großbritannien, alte Songs von ihnen schafften es auch später noch in die Charts. 2020 erreichte eine neue Version von »You’ll Never Walk Alone« im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie die Spitze der britischen Charts. Gerry Marsden starb am 3. Januar in der Nähe von Liverpool.

Tanya Roberts, 65 (15. Oktober 1955 – 4. Januar 2021): Die in der Bronx geborene Schauspielerin schaffte ihren Durchbruch, als sie 1980 eine Rolle in einer späten Staffel der TV-Serie »Drei Engel für Charlie« übernahm. Der Versuch, aus Roberts in dem Kinofilm »Sheena – Königin des Dschungels« (1984) einen weiblichen Tarzan zu machen, schlug fehl und brachte ihr mehr Spott als Ruhm ein. Als sie ein Jahr später in dem James-Bond-Film »Im Angesicht des Todes« mit einem alternden Roger Moore auf der Golden Gate Bridge herumturnte, war das der Höhepunkt ihrer Karriere. Mehrfach wurde sie für die »Goldene Himbeere« nominiert, die in Hollywood alljährlich für die schlechtesten Leistungen im Filmgeschäft vergeben wird. Schließlich irrlichterte sie jahrelang durch Billigproduktionen. Tanya Roberts starb am 4. Januar in Los Angeles.

Michael Apted, 79 (10. Februar 1941 – 7. Januar 2021): Der britische Regisseur lernte sein Handwerk beim Dokumentarfilm. In den frühen Sechzigerjahren wählte er für seine Langzeitstudie »Up« eine Gruppe von Kindern aus und begleitete sie in neun Filmen über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren. Im Laufe seiner Karriere drehte er TV-Serien und inszenierte Theaterstücke fürs Fernsehen, ging nach Hollywood und führte die Hauptdarstellerin Sissy Spacek in der Rolle einer Countrysängerin in »Nashville Lady« zu einem Oscar. Michael Apted galt bald als Spezialist für Thriller wie »Gorky Park« (1983) oder »Blink« (1993). Über die Verhaltensforscherin Dian Fossey drehte er das Drama »Gorillas im Nebel« (1988), ein packendes Porträt weiblicher Selbstbehauptung und zugleich ein großartiger Naturfilm. Dass Apted verpflichtet wurde, bei dem James-Bond-Film »Die Welt ist nicht genug« (1999) Regie zu führen, war etwas überraschend. Er legte es nicht darauf an, Blockbusterproduktionen zu übernehmen, weil er es vom Dokumentarfilm gewohnt war, mit kleinen Teams zu arbeiten. Zuletzt drehte er für Fernsehsender und Streamingdienste Folgen von Serien wie »Ray Donovan«. Michael Apted starb am 7. Januar in Los Angeles.

Barbara Köhler, 61 (11. April 1959 – 8. Januar 2021): Poesie ist vielleicht das Allerfeinste im Gespinst der Künste. Nichts wird leichter überhört, nichts verweht schneller. Und doch bleibt kaum etwas so lange im Sinn wie ein gelungenes Gedicht, das Schlaglicht einer lyrischen Wahrheit. Rückblickend erscheint es fast prophetisch, dass Barbara Köhler, geboren in Sachsen, als Altenpflegerin arbeitete und eine Ausbildung zur Facharbeiterin für textile Flächenherstellung absolvierte. Später nahm sie etwas Altes, die deutsche Sprache, und überführte es spielerisch in oszillierende Flächen aus Text. Köhler fand heraus, dass »er« stets im Singular verharren muss, während »sie« sich in den Plural der Gesellschaft auflösen kann. Ihr Feminismus war keiner, den sie der Sprache diktieren musste. Köhler fand das weibliche Ich, das weibliche Schreiben vielmehr in der Sprache selbst. Auch wenn das bedeutete, dass sie dafür an deren Grenzen gehen musste. Ihre Gedichte und Collagen waren nie schwärmerisch, immer präzise und auf keinen Stil festgelegt: »Ich wechsele Standbein und Spielbein ich stehe in Frage«, schrieb sie in »Deutsches Roulette«, ihrem Debütband 1991 bei Suhrkamp. Der poetische Gewinn dieser leichtfüßigen Experimente ist enorm. Barbara Köhler starb am 8. Januar in Mülheim an der Ruhr.

Sheldon Adelson, 87 (4. August 1933 – 11. Januar 2021): Der Sohn eines Bostoner Taxifahrers war ein Kind der Großen Depression und schlug sich als Zeitungsverkäufer auf der Straße durch. 1979 gründete Sheldon Adelson gemeinsam mit vier Geschäftspartnern die Computermesse Comdex – lange bevor der PC seinen Siegeszug antrat. 1995 brachte ihm der Verkauf 500 Millionen Dollar ein. Das Geld steckte Adelson ins Casinogeschäft: Mit Spielhöllen in Las Vegas, Pennsylvania, Singapur und Macau wurde seine Las Vegas Sands Corp. zu einer Größe in der so schillernden Branche. »Forbes« schätzte Adelsons Privatvermögen zuletzt auf mehr als 30 Milliarden Dollar. Sein gesellschaftliches Engagement betrieb der Aufsteiger mit der Unerbittlichkeit eines Straßenkämpfers. Für sein Vaterland – und den US-Nachrichtendienst – setzte er seine Casinospione ein, etwa um an den Roulettetischen in Macau chinesische Regierungsangehörige auszuspähen oder um Informationen über Entwicklungen im Nahen Osten zu beschaffen. Auch bei der Überwachung von Julian Assange soll er seine Finger im Spiel gehabt haben. Politisch stand Adelson weit rechts. Im Laufe der Jahre summierten sich seine Spenden an die Republikaner auf mehr als 350 Millionen Dollar, davon gingen allein im vergangenen Jahr 90 Millionen an Donald Trump. Sheldon Adelson starb am 11. Januar in Malibu.

Margaret Weston, 94 (7. März 1926 – 12. Januar 2021): Als die Museumsdirektorin 1986 in den Ruhestand ging, schenkten ihr Mitarbeiter ein Motorrad. Die umtriebige Margaret Weston, die als erste Frau an der Spitze eines britischen Nationalmuseums stand und die Museumslandschaft des Landes maßgeblich geprägt hatte, wusste das zu schätzen. Die Tochter eines Lehrerpaars studierte Ingenieurwissenschaften und kam 1955 zum Science Museum in London, wo sie die Abteilung für Elektrotechnik neu gestaltete – und bald weitere Aufgaben übernahm. 1973 stieg Weston zur Direktorin auf, nur zwei Jahre später eröffnete sie das erste Landesmuseum außerhalb Londons, das National Railway Museum in York. Sie wollte auch der Bevölkerung jenseits der Hauptstadt Bildung leichter zugänglich machen; in ihrer Amtszeit entstand eine Gruppe von Wissenschaftsmuseen. Die Innovatorin galt als charmant und kompromisslos und machte sich auch als Kuratorin einen Namen. Eines ihrer spektakulärsten Objekte war einer der Prototypen der Concorde; sie fügte auch das »Apollo«-Raumschiff der Sammlung hinzu. Margaret Weston starb am 12. Januar.

Siegfried Fischbacher, 81 (13. Juni 1939 – 13. Januar 2021): Auf dem Passagierschiff »Bremen« gehörten sie in den Sechzigerjahren zur Besatzung und hielten das Publikum mit Zaubertricks bei Laune. Einmal war ein Gepard mit an Bord, so fanden Siegfried Fischbacher (im Bild rechts) und Roy Horn ihre Erfolgsformel: ein glamouröses Paar, eine märchenhafte Show – und Wildkatzen. Siegfried und Roy zauberten keine weißen Kaninchen aus dem Hut, sondern weiße Tiger. Und brachten sie zum Schweben. Das Duo beförderte die »Magie«, bis dahin ein eher belächeltes Genre der Unterhaltungskunst, auf die ganz große Bühne. Lange gehörten sie nicht nur zu den bestbezahlten Entertainern von Las Vegas, sie wurden geradezu zum Synonym der dortigen Unterhaltungsindustrie. Während Horn vor allem für die Tiere zuständig war, stand Fischbacher für die zauberkünstlerische Seite des Unternehmens. Zur Magie kam Fischbacher schon als Kind im bayerischen Rosenheim, als er über seine Tricks Zugang zu seinem kriegstraumatisierten Vater fand. 2003 wurde Horn von einem Tiger schwer verletzt. »Es gibt keinen Siegfried ohne Roy und keinen Roy ohne Siegfried«, sagte Fischbacher nach dem Tod seines Partners im Mai 2020. Siegfried Fischbacher starb am 13. Januar in Las Vegas.

Phil Spector, 81 (26. Dezember 1939 – 16. Januar 2021): »Ich würde sagen, dass ich bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich relativ verrückt bin«, sagte der Musikproduzent in einem Interview, wenige Wochen bevor er 2003 die Schauspielerin Lana Clarkson tötete. »Glauben Sie mir, Sie wollen mein Leben nicht.« Sein Vater brachte sich um, als Phil Spector neun Jahre alt war, und der Titel seines ersten Hits war inspiriert von dessen Grabinschrift: »To Know Him Is to Love Him«. 1958 erreichte er mit den Teddy Bears damit die Spitze der US-Charts. Spectors Ideen waren groß, sein Ehrgeiz noch größer. Er wolle »kleine Symphonien für die Kids« schaffen, sagte er und nannte Richard Wagner als Vorbild. Und tatsächlich sind Songs wie »Be My Baby« von den Ronettes, »You’ve Lost That Lovin’ Feelin’« von den Righteous Brothers oder »River Deep – Mountain High« von Ike & Tina Turner Meisterwerke des Pops der Sechziger. »Wall of Sound« wurde Spectors Studiotechnik genannt, statt einer Gitarre setzte er bis zu fünf ein, dazu große Orchester und alle Tricks, die die Technik hergab. Im Studio war Spector allerdings gefürchtet: Er bedrohte Künstler, schoss um sich und ließ eine Sängerin wie Tina Turner bis zur Erschöpfung immer wieder vors Mikro treten. Trotzdem holten ihn die Beatles zur Fertigstellung ihres letzten Albums »Let It Be«. Auch Leonard Cohen arbeitete mit ihm und die Ramones. Seine Ehefrau Ronnie floh aus dem Anwesen, in dem Spector sie gefangen hielt, weil sie um ihr Leben fürchtete. Wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz an Clarkson wurde er 2009 zu mindestens 19 Jahren Haft verurteilt. Phil Spector starb am 16. Januar in einem Krankenhaus östlich von San Francisco.
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Lubomir Kavalek, 77 (9. August 1943 – 18. Januar 2021): Selbst ausweglos erscheinende Situationen verwandelte der weltberühmte Schachspieler in Siege – auch im echten Leben. Der in Prag geborene Lubomir Kavalek gehörte zur »Goldenen Generation« der Schachspieler in seiner Heimat. 1962 versetzte er die Fachwelt in Erstaunen, als er bis auf den König und die acht Bauern alle Figuren verloren hatte – und dennoch gewann. »Kavalanche« heißt dieser Bauernsturm seitdem: Kavalek-Lawine. 1965 wurde er vom Internationalen Schachverband zum »Großmeister« gekürt. Als 1968 die Proteste des »Prager Frühlings« niederschlagen wurden, kaufte Kavalek ein paar Wodkaflaschen, bestach damit Grenzbeamte und floh in den Westen. »Wodka-Flucht« nannte er diesen Schachzug. Er emigrierte in die USA und berichtete 1972 über den Showdown der Supermächte – die Partien zwischen dem Amerikaner Bobby Fischer und dem Russen Boris Spasski. Heimlich beriet Kavalek Fischer, als der nicht weiterwusste. Fischer gewann. Lubomir Kavalek starb am 18. Januar in Reston, Virginia.

Nathalie Delon, 79 (1. August 1941 – 21. Januar 2021): Die als Francine Canovas in Marokko geborene Schauspielerin hatte ihren ersten Leinwandauftritt in dem französischen Kriminalfilm »Der eiskalte Engel« (1967), der heute als eines der Meisterwerke des Film noir gilt. An der Seite ihres damaligen Mannes Alain Delon spielte sie die Geliebte eines Profikillers, die ebenso kühl wie selbstbewusst den Versuchen der Polizei trotzt, sie unter Druck zu setzen. Nathalie Delon übernahm nach diesem Debüt Rollen in internationalen Produktionen wie »Blaubart« (1972), »Die romantische Engländerin« oder »Die Öl-Piraten« (beide 1975) und war auch in Fernsehserien zu sehen. Sie schrieb Drehbücher und führte bei zwei Spielfilmen Regie. Ihre Komödie »Sweet Lies« (1987), in der ein amerikanischer Versicherungsdetektiv in Paris in Liebeswirren gerät, drehte sie mit Hollywoodschauspielern wie Treat Williams und Joanna Pacula. Nathalie Delon starb am 21. Januar in Paris.

Cecilia Mangini, 93 (31. Juli 1927 – 21. Januar 2021): Sie wollte beobachten und festhalten, »was wichtig und einzigartig« ist, so erklärte die italienische Fotografin, Dokumentarfilmerin und Drehbuchautorin Cecilia Mangini ihre künstlerische Motivation. 1958 erschien ihr erster Film, »Ignoti alla città« (»Die Unsichtbaren der Stadt«), über eine Gruppe Jugendlicher, es war der erste Dokumentarfilm einer Italienerin. Auf die Frage, wie sie sich in einem männerdominierten Beruf behauptet habe, antwortete sie: »Ich dachte, wenn ich mich wie ein Mann verhalte, könnte ich es schaffen.« Dass ihr emanzipatorische Themen am Herzen lagen, zeigt ihr vielleicht wichtigster Film »Essere donne« (»Frausein«, 1965), eine von der Kommunistischen Partei geförderte Dokumentation über das Leben und die Arbeitsbedingungen von Frauen in italienischen Fabriken. Bis zuletzt blieb sie eine scharfe Beobachterin der italienischen Gesellschaft und Politik. Cecilia Mangini starb am 21. Januar in Rom.

Larry King, 87 (19. November 1933 – 23. Januar 2021): Wer in seine Sendung eingeladen war, hatte vom Gastgeber mit den hochgekrempelten Hemdsärmeln in der Regel nichts zu befürchten. Larry King war meistens unvorbereitet und stellte keine heiklen Fragen, sondern harmlose Erkundigungen an: »Wovon handelt Ihr Buch?« Vielleicht hatte er sie deswegen alle, von Marlon Brando bis Madonna, von Martin Luther King bis Muammar al-Gaddafi, von Lady Gaga bis Wladimir Putin. Darüber wurde Larry King selbst zur legendären Kunstfigur. Seine Karriere begann 1957 eher zufällig, als er bei einem lokalen Radiosender in Miami als Moderator einspringen durfte. Sein Aufstieg zur nationalen Größe ging Hand in Hand mit dem Aufstieg von CNN, wo er von 1985 bis 2010 »Larry King Live« moderierte. 50.000 Interviews soll er geführt haben, als Journalist bezeichnete sich der Wegbereiter des Infotainments nicht. Larry King starb am 23. Januar in Los Angeles.

Arik Brauer, 92 (4. Januar 1929 – 24. Januar 2021): Seine bunten erzählerischen Gemälde zeigen gelegentlich das Grauen, bejahen aber immer das Leben. Der Sohn eines jüdischen Schuhmachers war 1929 als Erich Brauer in Wien zur Welt gekommen, nach dem sogenannten Anschluss 1938 gab es, wie er später schilderte, für ihn »keine Gerechtigkeit mehr«; sein Vater wurde im Konzentrationslager ermordet. Später suchte Brauer die Freiheit im Leben, in der Kunst. Nach dem Malereistudium erkundete er mit dem Fahrrad Teile Europas und Afrikas, lebte in Paris, in Israel, kam zurück nach Wien und erfand schließlich den Phantastischen Realismus mit. Die strengsten Kunstkritiker lehnten seinen gegenständlichen und dabei auch märchenhaft wirkenden Stil eher ab, das traf ihn, aber er blieb dabei. Stets bezeichnete er sich als Maler, im Künstleralltag unterschied er kaum zwischen den Disziplinen, war genauso Literat, Architekt, Sänger. Anfang der Siebzigerjahre galt er plötzlich als »Austro-Popstar« – in einem seiner Hits besang er die menschenfeindliche Stadtplanung. Er wurde Vater von drei Töchtern, und in Israel, der Heimat seiner Frau, baute er für die Familie ein typisch unkonventionelles Brauer-Haus. Arik Brauer starb am 24. Januar in Wien.

Lars Norén, 76 (9. Mai 1944 – 26. Januar 2021): Aus Angst hat er geschrieben. Er hat immer dorthin gesehen, wo er den Hass vermutete, die Urgründe der Gewalt, um seine eigene Angst zu besiegen. Lars Norén war der wirkungsmächtigste schwedische Dramatiker seit August Strindberg. Er begann als Regieassistent, schrieb Gedichte und wurde berühmt mit seinen ersten eigenen Dramen, in denen es um die Abgründe menschlicher Beziehungen ging. Als sich verurteilte Neonazis aus dem Gefängnis an ihn wendeten, ob er ein Stück für ihre Theatergruppe habe, ließ Norén sie auf der Bühne sich selbst spielen. Zwei von ihnen überfielen während ihres Hafturlaubs eine Bank und erschossen zwei Polizisten. Die Wirklichkeit ließ sich vom Theater nicht domestizieren. In den letzten Jahren seines Lebens schrieb er vor allem Tagebücher, in denen er mit der Welt und ihren Bewohnern abrechnete. Lars Norén starb am 26. Januar in Stockholm an Covid-19.

Cloris Leachman, 94 (30. Januar 1926 – 27. Januar 2021): Mehr als sieben Jahrzehnte lang übte sie ihren Beruf aus, auf der Bühne und vor der Kamera, ebenso unermüdlich wie wandelbar. Sie spielte unterschiedlichste Frauenfiguren, von der jungen Anhalterin über die frustrierte Ehefrau bis zur vergesslichen Großmutter. Cloris Leachman, in Iowa geboren, lernte das Schauspielhandwerk im Actors Studio in New York und arbeitete bald auch in Hollywood. Für ihre Rolle in dem Drama »Die letzte Vorstellung« von Peter Bogdanovich erhielt sie 1972 einen Oscar als beste Nebendarstellerin. Ihre Stärke lag im Komödiantischen, Mel Brooks engagierte sie gern. Ganz nebenbei sammelte sie eine erkleckliche Anzahl Emmys ein. 2011 sagte die Schauspielerin mit dem breiten Lächeln: »Sie müssen mir eins über den Kopf ziehen, damit ich aufhöre.« Noch im vergangenen Jahr stand sie vor der Kamera. Cloris Leachman starb am 27. Januar in Encinitas, Kalifornien.

Cicely Tyson, 96 (18. Dezember 1924 – 28. Januar 2021): Sie galt in Hollywood als Pionierin, die für afroamerikanische Schauspielerinnen Neuland eroberte. Der Durchbruch gelang ihr 1972 mit dem Südstaatendrama »Das Jahr ohne Vater«, in dem sie ein resolutes Familienoberhaupt während der Depressionszeit spielte. Hierfür erhielt Cicely Tyson eine Oscarnominierung. 1974 war die gebürtige New Yorkerin in der TV-Produktion »Die Geschichte der Jane Pittman« als ehemalige Sklavin zu sehen, die ihr Leben lang für Gleichberechtigung kämpfte. Die Interpretation dieser Figur, die im Laufe des Films um fast 90 Jahre altert, brachte ihr als erster Afroamerikanerin einen Hauptrollen-Emmy ein. Dem deutschen TV-Publikum wurde Tyson 1978 als Mutter des Helden Kunta Kinte in dem erfolgreichen Mehrteiler »Roots« bekannt. Bis ins hohe Alter wirkte sie an Kinofilmen wie »The Help« (2011) und TV-Serien wie »How to Get Away with Murder« (2014 bis 2020) mit. Zwei Tage vor ihrem Tod erschienen ihre Memoiren: »Just as I Am«. Cicely Tyson starb am 28. Januar.
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Mainhardt Graf von Nayhauß, 94 (1. Juli 1926 – 29. Januar 2021): Vielleicht war er der Letzte seiner Art: Chronist der alten Bonner Republik, von Adenauer bis Merkel. 1926 in Berlin geboren, arbeitete Mainhardt Graf von Nayhauß fast 70 Jahre lang als Journalist, in den Fünfzigerjahren auch im Bonner Büro des SPIEGEL. Damals war er der erste Redakteur in der Bundesrepublik, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrat eingeleitet wurde. Er hatte über eine Prügelei unter Verfassungsschützern in einem Kölner Nachtlokal berichtet. Acht Kanzler hat er erlebt, er reiste 120-mal mit dem Regierungsflieger, immer nah dran. Auf einer Reise mit Willy Brandt schaffte er es für eine Reportage über dessen Frau Rut als Leibwächter getarnt in das für Journalisten verbotene Washingtoner Gästehaus des US-Präsidenten. 30 Jahre lang war er als »Bild«-Kolumnist ein Großmeister des politischen Klatschs. Ihn interessierte, wer mit wem was aß und trank, die Sticheleien und Gerüchte, die Querelen hinter den Kulissen um Posten, Ämter und Geld. Mainhardt Graf von Nayhauß starb am 29. Januar in Köln.
Lesen Sie hier mehr zum Tod des langjährigen »Bild«-Kolumnisten

Wilhelm Knabe, 97 (8. Oktober 1923 – 30. Januar 2021): Beinahe alles, was die Grünen von heute ausmacht, hat Wilhelm Knabe mitgestaltet. Zum Beispiel die schwarz-grüne Zusammenarbeit, Avantgarde zu seiner Zeit als Bürgermeister in Mülheim an der Ruhr in den Neunzigern. Oder den Umbau der fossilen Welt; die Renaturierung von stillgelegten Kohlegruben war bereits 1957 sein Dissertationsthema. Zeitlebens machte er vor, was die Partei noch immer nachvollzieht. Im sächsischen Arnsdorf geboren, erlebte Knabe den Zweiten Weltkrieg als Teenager. Drei Jahre lang musste er bei der Luftwaffe Wehrdienst leisten und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Der Pazifist und gläubige Christ floh 1959 aus der DDR. In der Bundesrepublik wurde der Forstwirt und Vogelfreund dann Mitbegründer der Grünen, war von 1982 bis 1984 ihr Bundessprecher, saß von 1987 bis 1990 im Bundestag, danach kam die Kommunalpolitik. Bis zuletzt kämpfte er auch auf der Straße für den Planeten Erde an der Seite der Jugend; er nannte sich Opa for Future. Wilhelm Knabe starb am 30. Januar in Mülheim an der Ruhr an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung.
christel damm

Sophie Xeon, 34 (17. September 1986 – 30. Januar 2021): Schon als Kind im schottischen Glasgow, so erzählte sie es einmal in einem Interview, habe ihr Vater sie auf Veranstaltungen der britischen Rave-Szene mitgenommen, und bereits damals habe sie elektronische Musik machen wollen. Es dauerte dann doch ein bisschen länger – aber nachdem sie 2013 ihre Debütsingle »Nothing More to Say« veröffentlichte, wurde sie rasch in der internationalen Szene wahrgenommen. Sie machte eigene Musik, produzierte aber auch Stücke für Stars wie Charlie XCX und Madonna. Wie kaum einer anderen Künstlerin ihrer Generation gelang es Sophie Xeon, gleichzeitig avantgardistisch zu sein und ihren Pop-Appeal beizubehalten. 2017 machte sie öffentlich, dass sie sich als Transfrau identifiziere. Ihre Fans feierten sie nicht nur für ihre Musik, sondern auch für ihren offenen Umgang mit ihrer Identität. Ihr Album »Oil of Every Pearl’s Un-Inside« wurde für einen Grammy nominiert. Nach einer Zeit in Berlin und Los Angeles zog sie nach Athen. Die Angaben über Sophie Xeons Tod gehen auseinander. Ihr Management spricht von einem Unfall beim Betrachten des Vollmonds, die griechische Polizei sagt, sie sei vom Balkon einer Wohnung gestürzt. Sophie Xeon starb am 30. Januar in Athen.

Christopher Plummer, 91 (13. Dezember 1929 – 5. Februar 2021): Er war schon ein am Broadway gefeierter Shakespeare-Schauspieler, als er sich 1965 mit einer Kitschrolle im Musikfilm »The Sound of Music« ins Herz einer riesigen Fangemeinde spielte. Christopher Plummer wuchs in einer kanadischen Großbürgerfamilie auf, wollte Jazz- und Klassikpianist werden, doch landete er bei der Schauspielerei. In der Theaterwelt begegnete er Berühmtheiten wie Elia Kazan und Orson Welles. Im Filmgeschäft wurde er ein Star in meist weniger bedeutenden Rollen. Geliebt wurde er für seinen Humor und für sein im Alter poetisch zerfurchtes Pokerface. Er verkörperte fragwürdige Helden wie den Nazi-Wüstenkrieger Erwin Rommel, häufig eindeutige Bösewichte wie General Chang in »Star Trek VI – Das unentdeckte Land«. Als er im Alter von 82 Jahren seinen ersten Oscar für eine Rolle als sich outender schwuler Familienvater in dem Film »Beginners« bekam, blickte er kurz auf die Statue und sagte: »Wo warst du mein ganzes Leben lang?« Christopher Plummer starb am 5. Februar in Weston, Connecticut.

Hans Joachim Langmann, 96 (5. Oktober 1924 – 6. Februar 2021): Bevor er Chef des Pharmaunternehmens Merck wurde, studierte er Physik, wurde Dr. rer. nat. und arbeitete am Kernforschungszentrum in Karlsruhe. Weil Hans Joachim Langmann als Diplomatensohn Teile seiner Kindheit in Lateinamerika verbracht hatte, konnte er Marlis Groos, Spross der Merck-Eigentümerfamilie, Spanischunterricht geben. 1961 heirateten die beiden, schon drei Jahre später wurde Langmann persönlich haftender Gesellschafter und Vorsitzender des Familienrats, der bis heute 70 Prozent des Kapitals der Firma vertritt. Als CEO baute er aus dem Mittelständler einen Weltkonzern, brachte die Firma an die Börse – und stieg zu einem der reichsten Deutschen auf. Hans Joachim Langmann starb am 6. Februar in Seeheim-Jugenheim.

Giuseppe Rotunno, 97 (19. März 1923 – 7. Februar 2021): Der gebürtige Römer gehörte zu den wichtigsten europäischen Kameraleuten und schuf für Regisseure wie Luchino Visconti, Federico Fellini und Mike Nichols ungewöhnliche und eindringliche Filmbilder. Seine Karriere begann in den Vierzigerjahren. Giuseppe Rotunno beherrschte ganz unterschiedliche Stile, vom Schwarz-Weiß-Realismus in »Rocco und seine Brüder« (1960) bis zur visuellen Opulenz in »Der Leopard« (1963) oder eleganten Grenzgängen zwischen Traum und Wirklichkeit bei Fellini. Immer wieder arbeitete er auch in Hollywood. Für das Musical »Hinter dem Rampenlicht« (1979) erhielt er eine Oscarnominierung. Bei dem Horrorfilm »Wolf – Das Tier im Manne« (1994), einem seiner Spätwerke, trug er dazu bei, dass sich Hauptdarsteller Jack Nicholson vor den Augen des Zuschauers in ein zähnefletschendes Raubtier verwandeln konnte. Giuseppe Rotunno starb am 7. Februar in Rom.

Mary Wilson, 76 (6. März 1944 – 8. Februar 2021): Als Mary Wilson und Florence Ballard, zwei Mädchen aus einer Sozialsiedlung in Detroit, 1959 zu einem Vorsingen gingen, war ihre Band Primettes eigentlich nur als Pendant der Boygroup Primes gedacht. Mit einem dritten Mädchen, Diana Ross, und dem neuen Namen »The Supremes« wurden sie dann eine der erfolgreichsten Bands des schwarzen Pop der Sechzigerjahre – aus der Jungsband wurden The Temptations. Das Motown-Label prägte mit ihnen den Sound einer Ära. »Where Did Our Love Go«, »Stop! In the Name of Love«, »You Can’t Hurry Love«, »You Keep Me Hangin’ On« – die Liste der Supremes-Hits ist lang. Mary Wilson sang Background – und wurde vor allem zur Vermittlerin im Krieg zwischen Ballard und der Leadsängerin Ross. Ross wurde ein Weltstar, Ballard starb 1976. 1977 lösten die Supremes sich auf. Als alles vorbei war, schrieb Wilson zwei Bücher darüber, mit denen sie das Genre der Popstar-Autobiografie prägte. Sie blieb im Geschäft, ihre Solokarriere brachte ihr aber nur kleine Erfolge. Als die Supremes im Jahr 2000 noch einmal auf Tour gingen, war sie nicht dabei. Mary Wilson starb am 8. Februar in Henderson, Nevada.

Chick Corea, 79 (12. Juni 1941 – 9. Februar 2021): Es gab eine Zeit, da war Jazz die Musik der Zukunft. »Return to Forever«, so hieß 1972 das Debütalbum der gleichnamigen Band des Pianisten Chick Corea. Es ist voll von menschenfreundlichem Synthesizer-Geblubber, schnell hingetuschten Melodien, lockeren Rhythmen; die Musik fließt als freies Gespräch offener Geister. Eigentlich hatte Armando Anthony Corea klassisches Klavier gelernt und dann mit der Band des Latin-Music-Meisters Mongo Santamaría gespielt. Doch als der Trompeter Miles Davis seinen Sound modernisieren wollte und dafür Corea holte, half der mit dem elektrischen Klavier. Tatsächlich konnte Corea fast alles. Er nahm harten Jazz auf, Kinderlieder, Jazzrock, spielte immer wieder Mozart, ließ lateinamerikanische Einflüsse in seine Musik und veröffentlichte ein Album zusammen mit dem Sänger Bobby McFerrin. Dass er seit Anfang der Siebziger Mitglied von Scientology war, wurde ihm allerdings in Deutschland oft zum Vorwurf gemacht. Chick Corea starb am 9. Februar in Tampa, Florida, an Krebs.

Larry Flynt, 78 (1. November 1942 – 10. Februar 2021): Vier Jahre nachdem er 1974 das Pornomagazin »Hustler« gegründet hatte, erlitt er nach einem Attentat eine Querschnittslähmung. Den Täter hatte wütend gemacht, dass im »Hustler« ein Paar mit unterschiedlicher Hautfarbe abgebildet war. Larry Flynt, der sich als großer Verfechter der Meinungsfreiheit sah, versuchte später vergebens, die Exekution seines Attentäters gerichtlich zu verhindern. Das Geschäft mit der Pornografie betrieb Flynt mit Erfolg, sein Verlag Larry Flynt Publications brachte mehrere Magazine heraus. Ein Neffe nannte ihn »einen Rebellen« mit einer »komplexen Persönlichkeit«, sein Leben diente 1996 als Vorlage für den preisgekrönten Film »Larry Flynt – Die nackte Wahrheit«. Larry Flynt starb am 10. Februar in Los Angeles.

Carlos Menem, 90 (2. Juli 1930 – 14. Februar 2021): Er war der schillerndste aller argentinischen Präsidenten seit dem Ende der Militärdiktatur 1983. Als Provinzgouverneur ließ sich der Sohn syrischer Einwanderer riesige Koteletten wachsen, so wie sein Vorbild, ein Caudillo aus dem 19. Jahrhundert. Um für die Präsidentschaftswahl zu kandidieren, konvertierte der sunnitische Muslim zum Katholizismus, die Verfassung erlaubte keinen nicht katholischen Präsidenten. Während seiner Regierungszeit von 1989 bis 1999 kleidete Carlos Menem sich gern extravagant, posierte vor Ferraris und flirtete mit Schauspielerinnen und Models. Er war ein charmantes Schlitzohr, extrem abergläubisch und ein häufiger Gast auf den Partys der Hautevolee von Buenos Aires. Seine Gegner unterschätzten den Peronisten: Im Amt wandelte Menem sich zu einem Neoliberalen, er privatisierte zahlreiche Staatsunternehmen. Außenpolitisch wurde er zu Washingtons engstem Verbündeten in Lateinamerika. Er koppelte die Landeswährung Peso zum Kurs von eins zu eins an den Dollar und beendete so die Hyperinflation. Seine Landsleute wiegten sich in der Illusion, sie seien wieder in der »Ersten Welt« angekommen. Der Traum platzte zur Jahrtausendwende, als Argentinien in die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten stürzte. Nach dem Ende seiner Amtszeit wurde Menem mehrfach der Bestechung bezichtigt, wegen seiner Verwicklung in einen Waffenschieberskandal angeklagt und 2001 für fünf Monate unter Hausarrest gestellt. Als Senator genoss er später parlamentarische Immunität, sie schützte ihn bis zu seinem Tod vor strafrechtlicher Verfolgung. Carlos Menem starb am 14. Februar in Buenos Aires.
Lesen Sie hier mehr zum Tod des ehemaligen Präsidenten von Argentinien

Françoise Cactus, 57 (5. Mai 1964 – 17. Februar 2021): Ohne Berlin ist das Leben der Françoise van Hove kaum vorstellbar, dabei wuchs sie in einem Dorf im Burgund auf. Mitte der Achtzigerjahre kam sie nach West-Berlin, bald versehen mit dem szenetypischen Pseudonym-Nachnamen Cactus. Tagsüber layoutete sie die »taz«, abends spielte sie Schlagzeug und sang Punkchansons bei den Lolitas. 1993 lernte sie den aus Westdeutschland zugezogenen Brezel Göring kennen (ja, auch ein Pseudonym), der ihr Partner im Leben und in der Musik wurde. Für das Duo Stereo Total mischten sie Görings Vorlieben für elektronische Sounds und Cactus’ Prägung durch den französischen Pop der Sechziger, alles bewusst unperfekt aufgenommen: »Wir machen schönen Trash.« Vielsprachig, aber stets mit französischem Akzent gesungen. Auf Konzertreisen kam das Duo schließlich bis nach Asien und Mittelamerika. Auch literarisch war Cactus aktiv, veröffentlichte Jugendbücher, einen Erzählband und Hörspiele. Françoise Cactus starb am 17. Februar in Berlin an Krebs.

Rush Limbaugh, 70 (12. Januar 1951 – 17. Februar 2021): Mehr als 15 Millionen Hörer hatte Amerikas umstrittener Radiotalker zuletzt. Jahrzehntelang übergoss Rush Limbaugh alles mit Hass und Hohn, was nicht zu seinem stramm rechtskonservativen Weltbild passte. Dabei wurden Schwarze ebenso zu Zielscheiben wie Aidskranke, Frauen oder Homosexuelle. Mit Lügen und Verschwörungsmythen trieb Limbaugh die Spaltung der US-Gesellschaft mit voran, Polarisierung war sein Geschäftsmodell. Dieses machte ihn sagenhaft reich und fand Nachahmer wie den TV-Sender Fox News. Der rechte Medienkomplex, der so entstand, ebnete schließlich Donald Trump den Weg zur Macht. Der wusste offenbar, wie wertvoll Limbaughs Hetzerei für ihn war: Er verlieh ihm vor einem Jahr die »Presidential Medal of Freedom«, die höchste zivile Auszeichnung des Landes. Rush Limbaugh starb am 17. Februar an Lungenkrebs.

Hélène Martin, 92 (10. Dezember 1928 – 21. Februar 2021): Sie gehörte zu den Intellektuellen unter den französischen Chansonniers, erreichte aber nie den Bekanntheitsgrad eines Léo Ferré. Das mag daran gelegen haben, dass sie selbst stets diskret und zurückhaltend war. Und dass sie eine Frau war, eine Feministin noch dazu. Martin hatte eine schöne, volle Altstimme, aber die Musik war für sie immer nur ein Teil ihres Schaffens. »Ich komme aus dem Grenzgebiet zwischen den Worten und der Musik«, sagte sie selbst über sich. 1928 in Paris als Tochter eines Historikers geboren, wäre ein bourgeoises Leben in der Hauptstadt für sie der übliche Weg gewesen. Aber Martin entschied sich für die Bühne, sang in den Fünfzigerjahren in kleinen Pariser Klubs und Cabarets des »Rive Gauche« und adaptierte Texte der Dichter und Schriftsteller Louis Aragon und Jean Genet für ihre Lieder. Sie sympathisierte mit der Kommunistischen Partei und engagierte sich nach den 68er-Unruhen für einen kulturellen Aufbruch im Land. Zu der Zeit gründete sie ihre eigene Plattenfirma, später drehte sie auch Filme. 2009 trat sie, mit 80, ein letztes Mal im Pariser Théatre des Bouffes du Nord auf. Hélène Martin starb am 21. Februar in Cordemais in der Bretagne.

Lawrence Ferlinghetti, 101 (24. März 1919 – 22. Februar 2021): Seine Doktorarbeit schrieb er über die Bedeutung des Pissoirs in der französischen Literatur – so behauptet es eine der Legenden über den Dichter, Buchhändler, Verleger und Politkämpfer Lawrence Ferlinghetti. Sein italienischer Vater starb wohl noch vor seiner Geburt in New York, seine Mutter kam bald in eine Nervenheilanstalt. Er wuchs in Frankreich und den USA unter der Obhut einer Tante auf. In North Carolina begann er zu studieren und Gedichte zu schreiben, musste im Zweiten Weltkrieg kämpfen und studierte später in New York und Paris weiter. Begeistert vom berühmten Pariser Buchladen »Shakespeare and Company« gründete er gemeinsam mit einem Freund Anfang der Fünfzigerjahre die bald ähnlich bekannte Buchhandlung »City Lights« in San Francisco. Eine seiner spektakulärsten Publikationen wurde der zunächst mit 1000 Exemplaren verlegte Band von Allen Ginsbergs Beat-Generation-Hymne »Howl«. Verglichen mit den als obszön attackierten oder als genial gefeierten Beat-Schriftstellern Ginsberg, Jack Kerouac und Konsorten war Ferlinghetti ein eher disziplinierter, scharfsinniger Dichter – und ein braver Familienvater war er auch. Er kämpfte auf der Straße für den Frieden und vor Gericht für seine Autoren, schaffte mit seinen eigenen Gedichten einen Millionen-Bestseller und präsentierte sich bis ins Alter als toller Kauz im malerisch vollgepropften Laden. Lawrence Ferlinghetti starb am 22. Februar in San Francisco.

Ahmed Zaki Yamani, 90 (30. Juni 1930 – 22. Februar 2021): Der Ölminister Saudi-Arabiens wurde 1973 weltweit bekannt, als die Erdölexporteure im Golf dem Westen während des Jom-Kippur-Kriegs den Ölhahn zudrehten: Ahmed Zaki Yamani war das Gesicht des Embargos. Die Ölverknappung führte in Deutschland zu Sonntagsfahrverboten, Bilder leerer Autobahnen dominierten die Nachrichten. Yamani, Sohn eines Richters und Islamgelehrten in Mekka, machte eine steile Karriere. Er studierte Jura in Kairo, später auch in New York und Harvard. 1962 ernannte ihn König Saud ibn Abd al-Aziz zum Ölminister. Yamani stellte sicher, dass die Ölfirma Aramco, die ursprünglich von Saudi-Arabern und Amerikanern geführt wurde, bis 1976 gänzlich in den Besitz des Königreichs überging. Zehn Jahre später fiel der Minister beim König wegen seiner Ölpreispolitik in Ungnade. Nach seiner Entlassung zog er sich ins Private zurück, er lebte fortan in Großbritannien. Ahmed Zaki Yamani starb am 22. Februar in London.

Heinz Hermann Thiele, 79 (2. April 1941 – 23. Februar 2021): Er sei ein Unternehmer alter Schule gewesen, heißt es jetzt oft über Heinz Hermann Thiele. Aber er lebte nach ganz eigenen Regeln, er war ein erzkonservativer Anarchist. Seine frühe Kindheit verbrachte der gebürtige Mainzer in Berlin. Sein Vater, ein Anwalt, kam in Kriegsgefangenschaft, die Familie floh in den Westen. Die harten Nachkriegsjahre prägten Thiele, wie viele seiner Generation. Was ihn heraushob, waren brennender Ehrgeiz und Machtinstinkt. Bei Knorr-Bremse, dem Traditionsunternehmen für Bremssysteme, arbeitete Thiele sich nach dem Jurastudium binnen zehn Jahren vom Sachbearbeiter in die Geschäftsführung hoch. Einen Streit in der Eigentümerfamilie nutzte er, um die marode Firma zu übernehmen. Mit harter Hand und Risikofreude formte er Knorr-Bremse zum Weltmarktführer und baute ein Vermögen von zuletzt 16 Milliarden Euro auf. Unternehmertum empfand Thiele als ständigen Kampf – mit aufmüpfigen Arbeitnehmern, ignoranten Politikern und unfähigen Managern. Der asketische und opportunistische Lebens- und Führungsstil jüngerer Manager war ihm fremd. Sein später Einstieg bei der Lufthansa und der Konflikt mit der Regierung um die staatliche Rettung demonstrierten ein letztes Mal das Selbstverständnis des Ausnahmeunternehmers. Heinz Hermann Thiele starb am 23. Februar in München.

Hannu Mikkola, 78 (24. Mai 1942 – 26. Februar 2021): Der finnische Rennfahrer fuhr 30 Jahre lang Rallyes, gewann insgesamt 18 WM-Rennen und wurde 1983 Weltmeister. Hannu Mikkola begann seine Karriere 1963 in einem Volvo, später war er auch bei Automobilherstellern wie Ford oder Audi unter Vertrag. In der Rennsportszene bekannt als der »fliegende Finne«, wurde er nicht nur in seiner Heimat eine Legende. Er gewann Rennen in Großbritannien oder Kenia; in seiner Zeit bei Audi half er mit, die Entwicklung des Vierradantriebs voranzubringen. Er gehört zu den erfolgreichsten Fahrern der Rallye-WM und nahm noch im Alter von 51 Jahren an einem Profirennen teil. Hannu Mikkola starb am 26. Februar.

Toko Shinoda, 107 (28. März 1913 – 1. März 2021): In der Mandschurei als Tochter eines japanischen Tabakfabrikanten geboren, zog sie mit ihren Eltern bereits als Kleinkind nach Tokio und begann dort eine viele Jahrzehnte umspannende künstlerische Karriere. Sie lernte Kalligrafie und fing nach dem Zweiten Weltkrieg an, sich auch für westliche Einflüsse zu öffnen. Toko Shinoda griff in ihren Arbeiten den damals vorherrschenden abstrakten Expressionismus auf. 1956 ging sie nach New York und setzte sich dort unter anderem mit den Werken von Jackson Pollock oder auch Mark Rothko auseinander. Ihre eigenen Arbeiten befinden sich in zahlreichen angesehenen Sammlungen, unter anderem im New Yorker Museum of Modern Art oder im British Museum. Shinoda griff auf traditionelle japanische Techniken zurück, malte mit Tinte und setzte Akzente mit kräftigen Farben. Die »New York Times« stufte sie als eine der wichtigsten japanischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts ein, das »Time Magazine« verglich sie 1983 sogar mit Pablo Picasso. Sie habe keine festen Arbeitszeiten und folge eher ihren Stimmungen, sagte sie mit über hundert Jahren in einem Interview. Nie hätte sie geglaubt, so alt zu werden und noch immer Kunst erschaffen zu können, die andere Menschen bewege. Toko Shinoda starb am 1. März in Tokio.

Chris Barber, 90 (17. April 1930 – 2. März 2021): Er war ein Popstar unter den britischen Jazzmusikern. Anfang der Fünfzigerjahre begann der Posaunist, Bassist und spätere Bandleader Chris Barber, den sogenannten New Orleans Jazz zu spielen, und erreichte damit später ein Mainstreampublikum, das den Musikern dieses Genres bis dahin verwehrt geblieben war. Zu einer Zeit, als der Bebop der prägende moderne Jazzstil war, machte Barber traditionelle Formen des Jazz wieder populär. Den größten Hit hatte seine Band 1959 mit dem Song »Petite Fleur«. Zuvor schon sprengte Barber die Grenzen des Jazz und trieb in der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre das Skiffle-Genre in Großbritannien voran, das viele Stars des späteren britischen Beat-Booms zum Musikmachen animierte. Unter ihnen waren auch die Mitglieder der Beatles. Paul McCartney bedankte sich in den Sechzigerjahren, indem er Barber das Instrumental »Cat Call« schrieb. Später spielte Barber mit seiner Band auch komplexe Kompositionen von Charles Mingus and Joe Zawinul und arbeitete mit Musikern wie Van Morrison zusammen. Bis ins hohe Alter hielt er sein Ensemble zusammen und gab mit ihm Konzerte. Chris Barber starb am 2. März.

Bunny Wailer, 73 (10. April 1947 – 2. März 2021): Er gehörte zu der wohl wichtigsten Band Jamaikas: Von 1963 bis 1974 sang Bunny Wailer an der Seite von Bob Marley und Peter Tosh bei den Wailers, zunächst Ska, dann Rocksteady und schließlich Reggae. Unter dem bürgerlichen Namen Neville Livingston geboren, war er mit Marley nicht nur musikalisch verbunden, sondern darüber hinaus auch familiär verbandelt: Wailers Vater hatte mit der Mutter von Marley eine gemeinsame Tochter. Ihren ersten Hit konnten die Wailers im Jahr 1964 mit dem Song »Simmer Down« verzeichnen. Das bekannteste Stück der drei Reggaegrößen ist allerdings das kämpferische »Get Up, Stand Up«, das 1973 auf dem Album »Burnin’« erschien. Doch schon ein Jahr später trennten sich Tosh und Wailer von der gemeinsamen Band, die daraufhin das Begleitensemble des späteren Superstars Marley wurde. Wailer machte solo weiter. Er gewann im Lauf seiner Karriere drei Grammys und spielte etliche Alben ein, hatte aber zuletzt mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Er war das letzte noch lebende Gründungsmitglied der Wailers; Bob Marley erlag 1981 einem Krebsleiden, Peter Tosh wurde 1987 erschossen. Bunny Wailer starb am 2. März in Kingston, Jamaika.

Hans Rauchensteiner, 72 (19. Dezember 1948 – 6. März 2021): Er prägte die deutsche Sportfotografie in einer Zeit, als Athleten und Teams noch nicht abgeschirmt wurden, als Manager und PR-Experten noch nicht das öffentliche Bild ihrer Klienten bestimmten. Es waren Einblicke hinter die Kulissen des Sports, Zeugnisse von atmosphärischer Dichte, die Hans Rauchensteiner mit seiner Kamera festhielt. 1974 hatte der gebürtige Landshuter seinen Job als Maschinenbautechniker bei Siemens aufgegeben und bei der renommierten Fotoagentur Sven Simon angeheuert. 1980 machte sich der Bajuware mit Schnauzbart selbstständig, war bei 18 Olympischen Spielen, mehr als 20 Wimbledon-Turnieren, 9 Fußballweltmeisterschaften aktiv und wurde Hoffotograf des FC Bayern München. Rauchensteiners eindrückliche Bilddokumente des Sports wurden vielfach ausgezeichnet, 1978 gewann er beim World Press Photo Award den ersten Preis. Hans Rauchensteiner starb am 6. März in der Münchner Allianz-Arena, kurz nach dem Bundesligaspiel des FC Bayern gegen Dortmund.
WITTERS

Lou Ottens, 94 (21. Juni 1926 – 6. März 2021): Technisches Talent zeigte der spätere Erfinder schon als Teenager während der deutschen Besatzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg. Nicht nur baute der Junge ein Radio, um den Sender der Exilregierung zu empfangen. Lou Ottens ergänzte das Gerät um eine Richtantenne, die er »Deutschenfilter« nannte – weil er damit Störsender der Nazis umgehen konnte. 1952 trat er in die Dienste von Philips, wo er 1960 zum Leiter der Abteilung für Produktentwicklung befördert wurde. Anstelle der unhandlichen Tonbandspulen schwebte Ottens ein kompaktes Plastikgehäuse vor, das in die Innentasche einer Jacke passen sollte. »Die Kompaktkassette«, sagte er später, »wurde aus Ärger über das bestehende Tonbandgerät erfunden, so einfach ist das.« Am Markt eingeführt wurde die Kassette 1963 mit dem Werbespruch, sie sei »kleiner als eine Packung Zigaretten«. Während das neue Medium den Konsum und die Weitergabe von Musik weltweit vereinfachte, arbeitete Ottens ab 1972 bereits an einem digitalen Nachfolger, der CD, die dann 1980 vorgestellt wurde. Lange ärgerte er sich, dass Sony mit dem Walkman »die ideale Anwendung« der Kassette noch vor seinem Arbeitgeber erfunden hatte. Lou Ottens starb am 6. März in Duizel, Nordbrabant.

Katja Behrens, 78 (18. Dezember 1942 – 7. März 2021): Sie hatte zuletzt auf der Darmstädter Rosenhöhe gewohnt, einem alten Park, in dem schon viele Dichterinnen und Dichter lebten. Auf die Welt kam Katja Behrens 1942 in Berlin. Ein sehr falscher Ort, eine sehr falsche Zeit für ein jüdisches Mädchen in Deutschland. Mutter und Großmutter schützten sie im Versteck bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Später hat sie als Lektorin gearbeitet und als Übersetzerin. Sie hat »Naked Lunch« von William Burroughs und Werke von Henry Miller ins Deutsche übertragen. Sie setzte sich immer für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein, im PEN-Klub und in anderen Organisationen. Sie hat ein Kinder- und Jugendbuch über Moses Mendelssohn geschrieben und Briefe der Romantikerinnen herausgegeben. 1978 gewann sie den Förderpreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs. Sie ist viel gereist, zu Fuß, mit dem Auto, auf dem Pferd durch Südamerika, Indien, eine Zeit lang lebte sie in Israel. Sie war immer diskussionsfreudig, streitlustig, neugierig. Eines ihrer schönsten Bücher schrieb sie über den angenehmsten Ort in Darmstadt, eine Art Lücke in der Welt: das Oberfeld. »Roman von einem Feld« heißt er. Katja Behrens starb in der Nacht zum 7. März in Darmstadt.

Olivier Dassault, 69 (1. Juni 1951 – 7. März 2021): Er wurde als ältestes von vier Kindern in eine der reichsten Familien Frankreichs hineingeboren. Zu seinem Großvater Marcel Dassault, Flugzeugkonstrukteur und Gründer des gleichnamigen Firmenimperiums, hatte er ein enges Verhältnis. Der alte Mann hätte Olivier Dassault gern an der Spitze des Unternehmens gesehen, zu dem neben Luftfahrt- auch Medienunternehmen gehören. Dazu aber kam es nie, Oliviers Vater übernahm die Firma. Der ausgebildete Pilot und Ingenieur ging seine eigenen Wege. Olivier Dassault komponierte einige Filmmusiken, mit seiner zweiten Frau gründete er eine Kunstgalerie in Paris. Die eigentliche Leidenschaft des Milliardärs aber galt der Politik. 1988 wurde er Abgeordneter des konservativen RPR, 2017 unterstützte er Emmanuel Macron, bis zum Schluss saß er für die Konservativen im Parlament. Für sein Mandat gab er 2018 den Posten als Präsident des Aufsichtsrats der Dassault-Gruppe auf. Olivier Dassault starb am 7. März bei einem Hubschrauberabsturz in der Nähe von Le Havre.

James Levine, 77 (23. Juni 1943 – 9. März 2021): Wie oft bei Hochbegabten zeigte sich sein Talent in früher Kindheit. James »Jimmy« Levine mimte als Bub – so ist es jedenfalls überliefert – mit der Stricknadel seiner Oma in der Hand den Dirigenten. Er lernte Klavier, gab mit zehn sein erstes Konzert als Solist und studierte an der berühmten Juilliard School in New York. 1964 heuerte er als Assistent bei dem großen George Szell an. Von 1999 bis 2004 war Levine Chefdirigent bei den Münchner Philharmonikern, danach wechselte er in gleicher Position nach Boston. Er war ein Topdirigent alter Schule, liebte Pathos und Wucht. 1971 trat der Künstler erstmals an der New Yorker Metropolitan Opera auf, mit »Tosca« von Giacomo Puccini. Fast fünf Jahrzehnte lang arbeitete er für die Met – bis sie ihn feuerte. In der #MeToo-Debatte ließ das Opernhaus Vorwürfe gegen ihren Musikdirektor wegen sexuellen Missbrauchs junger Kollegen untersuchen. Levine bestritt die Vorwürfe, ein Rechtsstreit endete außergerichtlich, angeblich erhielt er 3,5 Millionen Dollar Abfindung. Seine für Januar in Florenz geplanten Konzerte wurden wegen Corona abgesagt. Der Amerikaner, gezeichnet von Rückenproblemen und Parkinson, hatte zuletzt nur noch im Sitzen dirigiert. James Levine starb am 9. März in Palm Springs.

Marvin Hagler, 66 (23. Mai 1954 – 13. März 2021): Es war vor allem ein Kampf, der ihn berühmt machte: Am 15. April 1985 sollte Boxprofi Marvin Hagler, der sich selbst den Vornamen Marvelous zugelegt hatte, seinen Weltmeistertitel im Mittelgewicht verteidigen. Sein Gegner Thomas Hearns und er lieferten sich in Las Vegas ein episches Duell, der Kampf ging als »The War« in die Sporthistorie ein. Hagler und Hearns, beide US-Amerikaner, schlugen drei Runden lang wie besessen aufeinander ein. Vor allem die erste Runde war ein Schlagabtausch, wie es ihn in der Boxwelt selten gibt. Hagler gelangen die entscheidenden Treffer, er blieb Champion. Der Mann mit dem markanten Glatzkopf zählte zu den prägenden Boxern der Achtzigerjahre, während seiner Profilaufbahn verlor er nur drei Kämpfe: 1976 gegen Bobby Watts und Willie Monroe sowie elf Jahre später gegen Sugar Ray Leonard. Der WM-Fight gegen Leonard endete mit einer umstrittenen Punktniederlage. Es war Haglers letzter Kampf. Nachdem ihm eine Revanche gegen Leonard verwehrt blieb, trat er zurück. Marvelous Marvin Hagler starb am 13. März in Bartlett, New Hampshire.

Yaphet Kotto, 81 (15. November 1930 – 15. März 2021): Er war dabei, als Martin Luther King 1963 in Washington seine berühmte Rede »I Have a Dream« hielt. Damals, so erzählte Yaphet Kotto Jahre später, habe er über seinen eigenen, ganz persönlichen Traum nachgedacht. Geboren wurde Kotto in New York als Sohn eines aus Kamerun eingewanderten konvertierten Juden. In seiner Autobiografie nannte er seinen Vater einen »Kronprinzen«. Mit 19 Jahren gab Kotto in »Othello« sein Bühnendebüt. Er spielte am Broadway Theater und bekam Mitte der Sechzigerjahre erste Nebenrollen in Filmen und Fernsehserien. Der Durchbruch gelang ihm 1973 mit der Rolle des Bösewichts Mr. Big in Roger Moores James-Bond-Einstand »Leben und sterben lassen«. Die monsterhafte Figur mit riesigem Schädel und gelben Augen aus Ian Flemmings Buch machte Kotto zu einem Bösewicht mit Stil. Über Jahrzehnte blieb er ein charismatischer Nebendarsteller in Filmen wie »Midnight Run« und »Running Man«. 1979 hatte er in dem Science-Fiction-Klassiker »Alien« einen unvergesslichen Auftritt als Mechaniker Parker. Er sei so überzeugt von dem Film gewesen, erzählte Kotto einmal, dass er lukrativere Angebote abgelehnt habe, damit er mitspielen konnte. Als der Vater von sechs Kindern seiner ältesten Tochter die Stelle zeigte, an der er 1963 bei Kings Rede gestanden hatte, riefen Touristen beim Anblick Kottos begeistert: »Alien!« Sein Traum von Berühmtheit war in Erfüllung gegangen. Yaphet Kotto starb am 15. März in der Nähe von Manila.

John Magufuli, 61 (29. Oktober 1959 – 17. März 2021): Viele nannten ihn »Bulldozer«: seine Anhänger bewundernd, weil er durchgriff, und seine Gegner voller Angst und Verachtung, weil er sie brutal verfolgte. John Magufuli gewann im Oktober 2015 die Präsidentschaftswahl in Tansania mit dem Versprechen, die Korruption abzustellen. Die Begeisterung im In- und Ausland war groß. Der studierte Chemiker stieß Infrastrukturprojekte an, verfolgte Steuerhinterzieher und plante Megaprojekt um Megaprojekt: Autobahnen, einen Tiefseehafen. Doch Tansania wandelte sich unter seiner Herrschaft von einer vergleichsweise stabilen Demokratie zu einer Autokratie. 2020 kam er durch eine wahrscheinlich manipulierte Wahl zu einer zweiten Amtszeit. Im vergangenen Juni machte Magufuli weltweit Schlagzeilen, als er erklärte, das Coronavirus sei mit Gottes Hilfe aus dem Land getrieben worden. Ende Februar verschwand er von der Bildfläche, es gab Gerüchte, er sei an Covid-19 erkrankt. John Magufuli starb am 17. März, laut offiziellen Angaben an einer Herzerkrankung.
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Karin Strenz, 53 (14. Oktober 1967 – 21. März 2021): Eigentlich war sie Lehrerin. Doch dann ging die Mecklenburgerin für ein Zusatzstudium nach Frankfurt am Main und begann schließlich, für ein Handelsunternehmen zu arbeiten. Ende der Neunziger trat sie in die CDU ein und machte in ihrer alten Heimat Karriere. Sie wurde Landtags-, dann Bundestagsabgeordnete. 2010 flog sie nach Aserbaidschan, Vorwürfe folgten, sie erhalte Geld vom dortigen Regime. Anfang des Jahres hob der Bundestag ihre Immunität auf – wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern. Warum sie zuletzt nach Kuba flog, ist nicht bekannt. Auf dem Rückflug verlor sie das Bewusstsein. Karin Strenz starb am 21. März in der Universitätsklinik von Limerick in Irland.

Nawal al-Saadawi, 89 (27. Oktober 1931 – 21. März 2021): Sie hat Feministinnen in der arabischen Welt inspiriert, sich mit Autokraten angelegt, Islamisten in Rage versetzt. Die ägyptische Autorin, Ärztin und Frauenrechtlerin Nawal al-Saadawi publizierte mehr als 50 Titel und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Über ihre Genitalverstümmelung als Kind schrieb sie mit schonungsloser Offenheit. Ihr erstes Buch »Frau und Sexualität« kostete sie in den Siebzigerjahren ihre Stelle. 1981 wurde sie als Dissidentin inhaftiert. In den Neunzigern ging sie für drei Jahre ins Exil in die USA. Im Arabischen Frühling 2011 demonstrierte sie mit der ägyptischen Jugend auf dem Tahrir-Platz. Manche Aktivistinnen waren allerdings enttäuscht, als sie später über die brutale Repression des neuen Regimes von Abdel Fattah el-Sisi hinwegsah. Er habe die Muslimbrüder beseitigt, sagte sie. Sie blieb eine Ikone für Generationen von Feministinnen – wegen ihrer Furchtlosigkeit, mit der sie religiöse und gesellschaftliche Tabus brach. Nawal al-Saadawi starb am 21. März in Kairo.
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Adam Zagajewski, 75 (21. Juni 1945 – 21. März 2021): In Lemberg kam er am 21. Juni 1945 auf die Welt. Er lebte dort zwar nur kurz. Aber Lemberg als Idee, das prägte sein Leben und sein Werk. Die Stadt, die heute Lwiw heißt, war lange eine Vielvölkerstadt, ein Laboratorium des Zusammenlebens, eine kleine Weltmetropole am Rande der westlichen Welt. Erst bis 1918 zur k. u. k. Monarchie gehörend, dann zu Polen, der Sowjetunion, heute schließlich zur Ukraine. Hierher kam der große europäische Essayist, Weltbürger, Dichter immer wieder zurück. Er studierte Philosophie in Krakau und begann Ende der Sechzigerjahre, Gedichte zu veröffentlichen. 1975 unterzeichnete er zusammen mit anderen polnischen Intellektuellen den »Brief der 59« gegen das kommunistische Regime, er wirkte mit an der oppositionellen »Fliegenden Universität« und ging 1979 ins Exil, zunächst nach Berlin, immer wieder zu Lehraufenthalten in die Vereinigten Staaten, schließlich nach Paris. Erst im Jahr 2002 kehrte er nach Polen zurück, lebte in Krakau und lehrte in Chicago. Wer einmal ein Buch von Adam Zagajewski gelesen hat, zum Beispiel sein Tagebuch »Die kleine Ewigkeit der Kunst«, der weiß, was gelebte Klugheit ist. Der weiß, was es heißt, mit Büchern und Gedichten zu leben, als wären sie lebendig. Adam Zagajewski starb am 21. März in Krakau.

Jessica Walter, 80 (31. Januar 1941 – 24. März 2021): Zweimal war sie für den Golden Globe nominiert: 1967 für ihre Nebenrolle in dem Rennfahrerfilm »Grand Prix« und 1972 für ihren Auftritt in Clint Eastwoods Thriller »Sadistico«. Die Rolle, die Jessica Walter den großen Durchbruch brachte, spielte sie aber erst im Rentenalter: In der US-Comedy »Arrested Development« gab sie bis 2019 eine wunderbar bösartige Matriarchin. Die Serie erzählte von einer Unternehmerfamilie in desolatem Zustand. Walter spielte die Mutter Lucille Bluth, eine Königin der Egozentrik, die in Chanel gekleidet und scheinbar immer betrunken über ihren erwachsenen Kindern thronte. Von dort oben verteilte sie Verachtung statt Liebe. Walter spielte die Rolle so pointiert, dass Gifs von Bluth und ihren messerscharfen Sprüchen heute häufig im Netz geteilt werden. Jessica Walter starb am 24. März in New York.

Uta Ranke-Heinemann, 93 (2. Oktober 1927 – 25. März 2021): Es gab einige Kirchenkritiker in ihrer Generation – aber niemand hatte ihre Eleganz, Weltläufigkeit und Ausstrahlung. Aufgewachsen als Tochter des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann in Essen, war Uta Heinemann die erste Abiturientin des dortigen Burggymnasiums. Sie studierte evangelische Theologie und konvertierte zum Katholizismus, 1969 habilitierte sie als erste Frau weltweit in katholischer Theologie und wurde ein Jahr später Professorin in Neuss. Doch sie glaubte nicht an die Jungfrauengeburt, engagierte sich gegen die Verhütungspolitik und die Pädophilie in der Kirche und war in der Friedensbewegung aktiv. 1999 ließ sie sich als Kandidatin der PDS für die Wahl zum Amt des Bundespräsidenten aufstellen, verlor aber gegen Johannes Rau. Als ihr Hauptwerk gilt »Nein und Amen«, dem sie später den Untertitel »Mein Abschied vom traditionellen Christentum« gab. Uta Ranke-Heinemann starb am 25. März in Essen.

Bertrand Tavernier, 79 (25. April 1941 – 25. März 2021): Der in Lyon geborene Regisseur gehörte zu den wichtigsten Filmemachern Frankreichs. Er fand über seine Leidenschaft fürs Kino zum Beruf und schrieb zunächst Kritiken. Dann lernte er als Regieassistent sein Handwerk und drehte mit der Georges-Simenon-Adaption »Der Uhrmacher von St. Paul« (1974) seinen ersten eigenen Film. Bertrand Tavernier legte sich nie auf ein Genre fest, er hatte mit Komödien wie »Der Saustall« (1981) Erfolg, aber auch mit dem Kriegsdrama »Das Leben und nichts anderes« (1989) oder dem Mantel-und-Degen-Film »D’Artagnans Tochter« (1994). Seine Werke gewannen viele Preise, nicht zuletzt sein großartiger Jazzfilm »Um Mitternacht« (1986). Eine Konstante in seinem Schaffen war der Schauspieler Philippe Noiret, dem er zahlreiche Hauptrollen gab. Taverniers Arbeit war von tiefer Kenntnis der Filmgeschichte geprägt, seine Bücher über das amerikanische Kino, die er zusammen mit Jean-Pierre Coursodon schrieb, sind überaus lesenswert. Bertrand Tavernier starb am 25. März in Sainte-Maxime.

Gangolf Stocker, 76 (7. Juni 1944 – 26. März 2021): Arbeiterkind, Kunstmaler, Vermessungstechniker, Totalverweigerer und vor allem: Bahnkritiker. Das war Gangolf Stocker, der als Kommunalpolitiker 1999 eine Liste mit dem Namen »Parteilos glücklich« erfand. »Kein Stuttgart 21« war wesentlicher Programmpunkt: der Widerstand gegen das milliardenteure Großprojekt, bei dem ein Tiefbahnhof mit halb so vielen Gleisen den oberirdischen Stuttgarter Hauptbahnhof ersetzen soll – irgendwann, wenn die Bauherren denn mit den Schwierigkeiten um Brandschutz, Wassereinbrüche und anderes fertiggeworden sein sollten. Als die Debatte erst Stuttgart und dann das ganze Land umtrieb, als Kritiker das Projekt mit viel Sachverstand auseinandernahmen, kam oft der Vorwurf: Warum habt ihr nicht früher etwas gesagt? Er hatte. Stocker war eine Galionsfigur des Widerstands, der nicht zuletzt seinetwegen den Weg bis in die Wohnzimmer der Stuttgarter Bourgeoisie fand – obwohl dieser knurrige Widerständler als ehemaliger DKP- und PDS-Mann nicht unbedingt ihrem Milieu entsprang. Mit seiner Liste »Stuttgart – Ökologisch – Sozial« zog er später ins Rathaus ein und erwies sich als Stachel im Fleisch der Grünen, die vor Winfried Kretschmanns Wahlsieg gegen S 21 gewesen waren und nun ihren Frieden damit machten. Er blieb, wie er war, ebenso gewaltfrei wie stur. Gangolf Stocker starb am 26. März in Stuttgart.

Hans-Joachim Jentsch, 83 (20. September 1937 – 28. März 2021): Er machte Karriere in allen drei Staatsgewalten: Hans-Joachim Jentsch war von 1996 bis 2005 Richter des Bundesverfassungsgerichts, davor Rechtsanwalt, Bundestagsabgeordneter der CDU, Oberbürgermeister von Wiesbaden, Abgeordneter des hessischen Landtags und Justizminister von Thüringen. Jentsch war ein feiner, zurückhaltender Mensch. Ellbogen einzusetzen oder auf Positionen zu beharren, das war ihm fremd. Nur ein Sondervotum ist von ihm als Verfassungsrichter bekannt – 2005 zur Vertrauensfrage durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Jentsch lehnte dieses »konstruierte Misstrauen« ab, wurde aber überstimmt. Wie uneigennützig er sein konnte, zeigte Jentsch in seinem letzten Urteil, in dem das Gericht billigte, dass der Staat die Beamtenpensionen um rund fünf Prozent absenkt. Jentsch war davon selbst betroffen: Am Folgetag trat er in den Ruhestand. Hans-Joachim Jentsch starb am 28. März.

Gordon Liddy, 90 (30. November 1930 – 30. März 2021): Seine Ruchlosigkeit wurde nur noch von seiner Sturköpfigkeit übertroffen: Der ehemalige FBI-Agent Gordon Liddy war so etwas wie das Mastermind hinter der wohl weitreichendsten politischen Affäre in der US-Geschichte. Er war es, der am 28. Mai 1972 den Einbruch in die Parteizentrale der Demokraten organisierte, die damals noch im Washingtoner Watergate-Komplex lag. Bis heute konnte der Nachweis nicht geführt werden, dass Richard Nixon von der Aktion wusste – aber weil der Präsident zweifelsfrei versucht hatte, sie zu vertuschen, trat er zurück und wurde von seinem Nachfolger begnadigt. Ganz so viel Glück hatte Liddy nicht. Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, kam aber schon 1977 wieder frei. Er startete eine Karriere als Buchautor und Moderator einer Radioshow. Gewissensbisse plagten ihn bis zum Schluss nicht. Wenn der Vorgesetzte eine Bitte habe, gebe es für einen Soldaten nur eine Antwort, sagte er einmal: »Dein Wille geschehe!« Gordon Liddy starb am 30. März in Mount Vernon, Virginia.

Ursula Happe, 94 (20. Oktober 1926 – 31. März 2021): Die Treppe nahm sie nie ins Schwimmbecken, auch mit über neunzig nicht. Ursula Happe wählte den Kopfsprung. Bis zum Beginn der Coronakrise ging sie regelmäßig schwimmen. Aufgewachsen als Tochter eines Bademeisters in Danzig, wurde sie nach dem Krieg einer der großen deutschen Sportstars, ohne jemals Starallüren zu entwickeln. Es waren andere Zeiten. Happe trat anfangs in einem selbst gestrickten Badeanzug an, gefertigt aus der Wolle eines alten Pullovers. Sie trainierte morgens in aller Herrgottsfrühe, weil sie sich danach um ihre Kinder kümmern musste; der Mann ging schließlich arbeiten. Sie wurde mehrfach deutsche Meisterin, Europameisterin 1954 und Olympiasiegerin 1956 in Melbourne über 200 Meter Brust, damals mit neuem Weltrekord. Direkt danach beendete sie ihre Karriere – auf Wunsch ihres Mannes. »Früher war man als Frau gehorsam«, sagte sie einmal. Ursula Happe starb am 31. März in Dortmund.

Andreas Tilp, 58 (24. März 1963 – 1. April 2021): Er war Deutschlands wohl prominentester Anlegeranwalt. »Heute ist ein guter Tag für die Aktionäre«, so hat Andreas Tilp oft Urteile gewürdigt. Mehr als 200 höchstrichterliche Entscheidungen zum Anleger- und Verbraucherschutz hat der Mann mit den roten Hosenträgern herbeigeführt. Verluste im Zuge des Börsencrashs 1987 brachten Tilp auf seinen Weg als Anwalt. Er fühlte sich als Student von seiner Bank falsch informiert, gewann vor Gericht und gründete 1994 seine Kanzlei im schwäbischen Kirchentellinsfurt. Bekannt wurde Tilp 2001 mit Aktionärsklagen gegen die Deutsche Telekom. Listig und selbstbewusst führte er fortan Prozesse gegen Konzerne wie VW, Daimler, Deutsche Bank und Wirecard. Oft war er der Erste, der ein Musterverfahren in Gang setzte. Wenn Manager gegen die »Klageindustrie« wetterten, die nach dem Vorbild amerikanischer Sammelklagen in Deutschland Einzug halte, konterte Tilp, nur so sei der »Schädigerindustrie« beizukommen. Andreas Tilp verunglückte am 1. April tödlich mit seinem E-Bike.

Robert Mundell, 88 (24. Oktober 1932 – 4. April 2021): Er war ein Kanadier, der Italien liebte und in den Sechzigerjahren die geistigen Grundlagen für den Euro legte. Der Ökonom lehrte unter anderem an den Universitäten in Stanford, Bologna und Chicago. Bis zuletzt hatte er einen Lehrstuhl an der Columbia University inne. Früh erforschte er, ob und wie Politik die Wirtschaft steuern kann. In einer Welt, so Mundell, in der sich Kapital frei bewegt und die Wechselkurse flexibel sind, verliere die nationale Fiskalpolitik an Einfluss. Mit seinen Thesen, die aktueller denn je sind, eckte er bei Dogmatikern unterschiedlicher Lager an. 1999, im Jahr der Euroeinführung, erhielt der Ökonom den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Da war seine Theorie der optimalen Währungsräume, die als Basis für den Euro gilt, schon 38 Jahre alt. Bereits 1965 plädierte Mundell für einen europäischen Währungsraum. Später kritisierte er die Schuldenpolitik von Ländern wie seiner Wahlheimat Italien. Ihm gehörte ein Palazzo in der Nähe von Siena. Am 4. April verstarb Robert Mundell.

Paul Ritter, 54 (20. Dezember 1966 – 5. April 2021): Der Brite war ein so beliebter wie vielseitiger Theater- und Fernsehdarsteller. Simon Paul Ritter wirkte in Verfilmungen von Shakespeare-Stücken mit, hatte im James-Bond-Film »Ein Quantum Trost« einen Auftritt und wurde international bekannt durch »Harry Potter und der Halbblutprinz« – in der Rolle des Magiers und Autors Eldred Worple. In der HBO-Serie »Chernobyl« war er 2019 als stellvertretender Chefingenieur des Kraftwerks zu sehen, der das Ausmaß der Reaktorkatastrophe lange verschweigt. Diese Figur, der er ein überzeugend finsteres Profil gab, war eine seiner letzten Rollen. Paul Ritter starb am 5. April in Faversham, Kent, an einem Gehirntumor.
Dave J Hogan / Dave J Hogan/Getty Images

Grischa Huber, 76 (18. September 1944 – 6. April 2021): Etliche Jahre lang gehörte sie zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses und war auch in Peter Zadeks umstrittener »Lulu«-Inszenierung im Jahr 1988 in der Rolle einer Pariser Salonlöwin dabei. Berühmt war Grischa Huber bereits 1975 als Hauptdarstellerin in dem Film »Unter dem Pflaster ist der Strand« geworden. Sie spielte eine Heldin, die sich mit ruhiger Entschlossenheit vom Joch der Männerherrschaft befreit. Am Drehbuch, das sie zu einer Ikone der Frauenbewegung machte, hatte sie selbst mit geschrieben. Nach einer ersten Ehe mit dem Schauspieler Michael König, mit dem sie eine Tochter hatte, heiratete Huber 1999 den Künstler und Zadek-Bühnenbildner Götz Loepelmann. Dessen Muse blieb sie auch nach der Trennung bis zu Loepelmanns Tod im Jahr 2017. Grischa Huber starb am 6. April in Hamburg.

Hans Küng, 93 (19. März 1928 – 6. April 2021): Wie er sterben wollte, sagte der Kirchenkritiker 2013 im SPIEGEL-Gespräch. Die Letzte Ölung lehnte der katholische Priester und Professor ab, aber er werde einen befreundeten Pfarrer dabeihaben. Eigensinnig war der in der Schweiz geborene Küng auch in Sachen Zölibat. Mit einer Frau lebte er, wie er sagte, im Sinne einer »vorbildlichen Wegkameradschaft« zusammen. Sein Verhältnis zur katholischen Kirche war stets so: Er kritisierte sie scharf, suchte neue Wege, verlassen hat er sie allerdings nicht. Sechs Päpste bekamen es mit ihm zu tun. Harmonisch lief es nur am Anfang, als Johannes XXIII. ihn ins Zweite Vatikanische Konzil berief und er als junger Reformer für Aufsehen sorgte. Danach gab es oft Streit. 1979 ließ ihm Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis in Tübingen entziehen. Noch viel später grollte Küng dem polnischen Pontifex: »Ich kann nicht verstehen, dass dieser Papst heiliggesprochen werden soll.« Erst mit Franziskus, der ihm »sehr freundliche Briefe« schrieb, kam die Wende. Zu seiner Beerdigung solle »Nun danket alle Gott« gesungen werden, sagte Küng 2013, weil das Lied ausdrücke, »dass mein Leben nicht verendet, sondern vollendet ist«. Hans Küng, der an Parkinson litt, starb am 6. April in Tübingen.

Prinz Philip, 99 (10. Juni 1921 – 9. April 2021): Als der 30-jährige Philip Mountbatten am 6. Februar 1952 die Nachricht vom Tod des Königs George VI. an seine junge Frau überbrachte, soll er den Worten eines Freundes zufolge gewirkt haben, »als hätte man das Gewicht der halben Welt auf ihn geworfen«. Auf das, was folgen würde, war er nicht vorbereitet. Niemand hätte darauf vorbereitet sein können. Seine vielversprechende Karriere bei der Marine endete an diesem Tag abrupt – es begann eine fast sieben Jahrzehnte währende Laufbahn als öffentlichster Ehemann des Vereinigten Königreichs. Für die Rolle, die der geborene Prinz von Griechenland und Dänemark an der Seite von Elizabeth II. einnahm, gab es kein Drehbuch. »Sehr viele Leute sagten mir, was ich alles nicht tun dürfe«, verriet er viel später in einem Interview. »Ich musste versuchen, die Queen zu unterstützen, so gut es geht, ohne jemandem in die Quere zu kommen. Die Schwierigkeit war, etwas Sinnvolles zu finden.«
Als sich der Duke of Edinburgh 2017 im Alter von 96 Jahren aus dem öffentlichen Leben zurückzog, hatte er 22.219 Einzelauftritte und 5496 Reden hinter sich gebracht. Er war, die Staatsbesuche an der Seite der Queen nicht mitgerechnet, 637-mal in offizieller Funktion ins Ausland gereist und unterstützte rund 800 Organisationen. Er hatte 14 Bücher geschrieben, sich, lange bevor der Klimawandel international Schlagzeilen machte, für Natur- und Umweltschutz engagiert und auf Schloss Sandringham Solarzellen installieren lassen, als das noch als exzentrisch galt.
Mit seiner Begeisterung für Innovationen hatte er auch vor der Krone nicht haltgemacht. Vor allem aber war er stets der Mann, der im Wortsinne hinter der Queen stand. Er nahm sich Freiheiten, die sie nicht hatte, zeigte sich parteiisch, menschlich, fehlbar – sein Hang zu beleidigenden Zoten ist legendär. Aber längst nicht alles davon war Fehltritt oder Fauxpas, vieles war Programm. »Die Monarchie funktioniert nur, wenn du gelegentlich den Hals reckst«, sagte er einst. »Wer nichts tut, weil er ansonsten kritisiert werden könnte, endet als Kohlkopf und ist nutzlos.« Die Queen ist konstitutionell praktisch zum Nichtssagen verdammt. Ihr Prinzgemahl war es nicht. Gemeinsam waren sie ein royaler »double act«. Philips Tod wiegt schwer für das ganze Königshaus – der einflussreichste Innovator der vergangenen sieben Jahrzehnte ist nicht mehr da. Prinz Philip starb am 9. April auf Schloss Windsor.

June Newton, 97 (3. Juni 1923 – 9. April 2021): Sie trug nicht nur seinen Nachnamen, ihr Leben war mit dem des Fotografen Helmut Newton eng verwoben – doch sie war auch eine eigenständige Künstlerin. Die Schauspielerin June Newton lebte in Melbourne, als sie 1947 ihren zukünftigen Ehemann kennenlernte. Er war aus Deutschland geflohen und sagte ihr vor der Hochzeit, dass die Fotografie seine »erste Liebe« sei. Damit kam sie gut klar, die Ehe hielt bis zu seinem Tod 2004. Das Paar zog von Australien über England nach Paris. Hier soll sie 1970, als Helmut Newton mit Grippe im Bett lag, für ihn als Werbefotografin eingesprungen sein. Es war der Beginn ihrer Fotografiekarriere. »Ich habe mich bemüht, nichts an meinem Gegenüber zu verändern und seine Gedanken von der Tatsache abzulenken, dass es sich vor einer Kamera befand«, sagte sie mal. Berühmtheiten wie Yves Saint Laurent oder Madonna wurden von ihr porträtiert. 1999 veröffentlichte sie mit ihrem Mann den Bildband »Us and Them« – ein Dokument ihres gemeinsamen Lebenswerks. June Newton starb am 9. April in Monte Carlo.

DMX, 50 (18. Dezember 1970 – 9. April 2021): Um die Jahrtausendwende gehörte er zu den Musikern, die die Rapwelt aufmischten. DMX wurde 1970 als Earl Simmons im Staat New York geboren, sein leiblicher Vater kümmerte sich nicht, seine Mutter misshandelte ihn, zwei konstante Wegbegleiter seines Lebens waren Musik und Crack. Mit Rap begann er in den Achtzigerjahren im Gefängnis, 1992 bekam er einen Plattendeal mit Columbia Records, seine Debütsingle hieß »Born Loser«, darauf reflektierte er messerscharf und selbstironisch seine Biografie. Dieser Song holte ihn von der Straße, er wurde zu einem Rap-Superstar, der Generationen nach ihm prägte; unvergessen sein Auftritt beim Woodstock-Festival 1999. Sein Leben hat er als »blessed with a curse« bezeichnet, als mit einem Fluch gesegnet. DMX starb am 9. April in White Plains, New York, an einem Herzinfarkt.

Bernard Madoff, 82 (29. April 1938 – 14. April 2021): Er wollte in Freiheit sterben. Doch seine letzten Jahre verbrachte der Mann, der als größter Finanzbetrüger aller Zeiten gilt, in einem Gefängniskrankenhaus. Madoff, 1938 in Brooklyn geboren, machte mit seiner Brokerfirma das große Geld. Kunden versprach »Onkel Bernie«, wie ihn Freunde nannten, sichere Renditen. Er narrte Banker, Stars wie Steven Spielberg und Kleinanleger, auch aus Deutschland. Statt das Kapital gewinnbringend anzulegen, bezahlte er alte Anleger mit dem Geld neuer Kunden aus. Ein milliardenschweres Schneeballsystem. Erst als Kunden in der Finanzkrise 2008 ihr Geld sehen wollten, endete das Spiel: Alles sei »eine große Lüge«, gestand Madoff. US-Behörden taxierten den Schaden auf 65 Milliarden Dollar. Ein Gericht verurteilte Madoff zu 150 Jahren Haft. Vergangenes Jahr stellte Madoff, der an einer unheilbaren Nierenkrankheit litt, ein Gnadengesuch. »Ich bin sterbenskrank«, sagte er der »Washington Post«. Seine Opfer protestierten gegen eine Begnadigung. Der Richter, der ihn verurteilt hatte, schrieb: »Es war mein Wille, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringt.« So kam es. Bernie Madoff starb am 14. April in Butner, North Carolina.

Helen McCrory, 52 (17. August 1968 – 16. April 2021): Sie könne mehr mit dem griechischen Gott Dionysos anfangen, dem zu Ehren die alten Griechen das Theater erfanden, als mit dem christlichen Glauben an Jesus, hat sie mal gesagt. Die auf ihre proletarischen schottischen und walisischen Vorfahren stolze Schauspielerin Helen McCrory war theaterverrückt und lange davon überzeugt, beim Film würden nur die unbegabten ihrer Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Sie wurde in Großbritannien ein Bühnenstar und spielte zum Beispiel die Rolle der Jelena in einer hochgelobten Inszenierung von Anton Tschechows »Onkel Wanja« am Londoner Donmar Warehouse Theater im Jahr 2002. International bekannt wurde McCrory dann doch durch Film- und Serienrollen. In den Kinoversionen der Harry-Potter-Reihe spielte sie mit vor Bosheit blitzendem Blick die Schurkinnenrolle der Narcissa Malfoy. In der TV-Serie »Peaky Blinders« war sie die lässige Polly Gray, eine Patin unter den Gangstern von Birmingham. Helen McCrory starb am 16. April in London.

Liam Scarlett, 35 (8. April 1986 – 16. April 2021): Mit 20 Jahren fing er als Tänzer beim Londoner Royal Ballet an, wurde dort ein bewunderter Choreograf – und im August 2019 suspendiert, nachdem ihm sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen worden war. Liam Scarlett war ein Jungstar der internationalen Ballettwelt. Sein »Frankenstein«-Abend, 2016 im Royal Opera House uraufgeführt, wurde als Erneuerung des klassischen Ballett-Gestenrepertoires gefeiert und ordentlich verrissen. Scarletts Choreografie zu Leoš Janáčeks »Das schlaue Füchslein« schaute sich sogar Prinz Charles an. Zu Fall brachte den auch in den USA und Australien tätigen Scarlett unter anderem der Vorwurf, Tanzschüler um Nacktfotos gebeten zu haben. Eine vom Royal Ballet angesetzte Untersuchung erbrachte zwar, dass er sich keinerlei justiziabler Verfehlungen schuldig gemacht hatte. Trotzdem trennte man sich im März 2020 endgültig. Auch andere Ballettgruppen cancelten ihre Absprachen mit ihm. Zuletzt gab das Königliche Ballett in Kopenhagen bekannt, es wolle nicht mehr mit ihm arbeiten. Liam Scarlett wurde am 16. April in Ipswich tot aufgefunden.

Walter Mondale, 93 (5. Januar 1928 – 19. April 2021): Er war ein Held des linken Amerika, und sein großes Ziel war es, eines Tages ins Oval Office einzuziehen. In seinem Heimatstaat Minnesota machte der Jurist Walter Mondale schnell Karriere, erst als Generalstaatsanwalt, später als US-Senator. 1976 holte ihn der demokratische Präsidentschaftskandidat Jimmy Carter an seine Seite. Nach dem Sieg über Präsident Gerald Ford machte sich Mondale daran, das Amt des Vizepräsidenten neu zu definieren: Er half, den Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten vorzubereiten, der im September 1978 in Camp David unterzeichnet wurde – der größte Triumph der Regierung Carter. Mondale war ein glühender Unterstützer der US-Bürgerrechtsbewegung und lag häufig im Konflikt mit dem konservativen Flügel seiner Partei. Als er 1984 gegen den republikanischen Präsidenten Ronald Reagan antrat, ging er als erster Politiker in der US-Geschichte mit einer Frau als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft ins Rennen. Mondale, der im Fernsehen etwas steif wirkte und im Wahlkampf ankündigte, die Steuern erhöhen zu wollen, erlitt gegen den früheren Filmstar Reagan eine vernichtende Niederlage und verlor außer Minnesota alle übrigen 49 US-Bundesstaaten. 1993 kehrte er in die Politik zurück, als ihn Bill Clinton zum US-Botschafter in Japan machte. Walter Mondale starb am 19. April in seinem Haus in Minneapolis.

Sven Lager, 56 (26. März 1965 – 19. April 2021): Er kam 1965 in München auf die Welt, studierte in Berlin, war Kritiker beim Radio, Filmvorführer, Bildhauer. Vor allem aber schrieb Sven Lager. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman: »Phosphor«. Mit seiner Frau Elke Naters gründete Lager das Autorenforum ampool.de – ein Blog für coole, selbstbewusste, gegenwartsbegeisterte Literaten, darunter Größen wie Christian Kracht. Später lebte Lager in Bangkok und Südafrika, er wandte sich dem christlichen Glauben zu und gründete schließlich ein Gemeinschaftswohnhaus für Geflüchtete und Einheimische in Neukölln. Am 19. April starb Sven Lager in Berlin an Krebs.

Willi Herren, 45 (17. Juni 1975 – 20. April 2021): Bekannt wurde der in Köln geborene Schauspieler und Entertainer Willi Herren durch die Rolle des Oliver »Olli« Klatt in der ARD-Serie »Lindenstraße«. Den eher unangenehmen Kerl, der lügt und stiehlt, spielte er durchgehend von 1992 bis 2007. Herren war auch im Kinofilm »Der bewegte Mann« (1994) zu sehen und hatte Gastauftritte in TV-Serien. Er tauchte in Realityshows wie »Promi Big Brother« auf, sang Schlager und sorgte als Partysänger auf Mallorca für Stimmung. Noch kurz vor seinem Tod stellte er in Frechen einen Foodtruck vor, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte, nachdem ihm wegen der Pandemie Engagements weggebrochen waren. Willi Herren starb am 20. April in Köln.

Lithofayne Pridgon, 80 (1940 – 22. April 2021): Die Liste ihrer Liebhaber liest sich wie ein Lexikon der Popgeschichte: Sam Cooke, Jackie Wilson, Sly Stone. Sie hatte sie alle, manche gleichzeitig. Die vielleicht leidenschaftlichste Liebe entfachte Lithofayne Pridgon wohl in Jimi Hendrix. Sie inspirierte und frustrierte ihn (»Foxy Lady«), denn sie war kreativ, aber unabhängig – und wollte sich nicht auf eine monogame Beziehung einlassen. Pridgon war kein klassisches Groupie, sie schrieb eigene Songs, studierte später Musik. Sie war ein Freigeist und »verliebt ins Verliebtsein«. Lithofayne Pridgon starb am 22. April.
Jeff Burton / Guardian / eyevine

Milva, 81 (17. Juli 1939 – 23. April 2021): Stets mit toller Stimmwucht und mitunter großem Gefühl sang sie Songs von Bertolt Brecht, kühnen Partisanen und anderen, nicht immer guten Lieddichtern. Unter dem Namen Maria Ilva Biolcati war sie unweit der Mündung des Flusses Po aufgewachsen, die Mutter arbeitete als Schneiderin, der Vater als Fischhändler. Nach ersten Schallplattenveröffentlichungen holte sie der damals schon berühmte Regisseur Giorgio Strehler in den Sechzigerjahren an das Piccolo Teatro nach Mailand. Für ihre Kunst der stolz auftrumpfenden Leidenschaft, für ihre rote Haarmähne und ihre Stimme wurde Milva bald auch von einem großen deutschsprachigen Publikum verehrt. Ihr Album »Milva canta Brecht« wurde Anfang der Siebziger ein großer Erfolg, der Regisseur Peter Brook holte sie 1984 an sein damaliges Theater nach Paris, der deutsche Filmemacher Wim Wenders zeigte sie 1987 in seinem Welterfolg »Der Himmel über Berlin«. Legendär wurde nicht nur ihre Sangeskunst, sondern auch ihr Beharrungsvermögen. 15-mal trat Milva beim bekanntesten italienischen Schlagerfestival in Sanremo auf – gewonnen hat sie nie. Milva starb am 23. April in Mailand.

Daniel Kaminsky, 42 (7. Februar 1979 – 23. April 2021): Seine Mutter hat einmal erzählt, wie ihr Sohn als Elfjähriger so tief in die Computer des Pentagons eingedrungen sei, dass sie einen Anruf bekam: Jemand in ihrem Haus, sagte ein wütender Mann am anderen Ende der Leitung, »fummele gerade in Gebieten rum, wo man besser nicht rumfummelt«. Er drohte, der Familie das Internet abzuschalten. Knapp 20 Jahre später, im Jahr 2008, rettete Kaminsky genau dieses Internet. Da war er bereits Sicherheitsexperte und fand heraus, dass man sich in das Domain Name System (DNS), das Adressbuch des Internets, reinhacken und so die Zugriffe auf Websites umlenken konnte: Wer zum Beispiel dachte, er sei bei seiner Bank, konnte in Wirklichkeit bei Betrügern sein. Auch dank Kaminsky kauft die Welt heute sicher und beruhigt bei Amazon ein. Daniel Kaminsky starb am 23. April in San Francisco an einer Diabetes-Komplikation.

Christa Ludwig, 93 (16. März 1928 – 24. April 2021): Eine Primadonna war sie nicht, die wohl wichtigste Mezzosopranistin des 20. Jahrhunderts. Denn mörderische Rollen wie Wagners Isolde mied sie klug – nach dem Rat ihrer Mutter, einer erfolgreichen Altistin. Dafür strahlte die geradezu überreiche Stimme der gebürtigen Berlinerin mehr als 40 Jahre lang in vielen großen Partien von Bach und Mozart bis zu Richard Strauss und Späteren. Ein magisch samtiges Timbre, natürliche Dramatik bis zur Dämonie von Wagners Ortrud oder Kundry, dazu ihr verlässlicher Fleiß ohne Allüren machten Christa Ludwig zur Wunschbesetzung großer Dirigenten wie Karl Böhm und vor allem Herbert von Karajan; auch Leonard Bernstein nannte sie »einfach die Beste«. Ab 1955 an der Wiener Staatsoper engagiert und bald weltweit gastierend, wurde sie in der Opern- und Operettenwelt durch ein großes, stetig erweitertes Repertoire zur Instanz, bezauberte das Publikum indessen ebenso gern mit Liederabenden. Zu ihrem Bühnenabschied gestand sie 1993 dem SPIEGEL: »Ich möchte endlich leben wie eine normale Frau. Fast 50 Jahre lang hab ich immer aufgepasst, dass ich gut bei Stimme war...« Aber auch diese Andeutung mancher Strapazen brachte sie mit einem Lächeln vor, das, wie alles bei ihr, von Herzen kam. Christa Ludwig starb am 24. April in Klosterneuburg bei Wien.
© David Farrell / Bridgeman Images

Alber Elbaz, 59 (12. Juni 1961 – 24. April 2021): Wenn man in den Jahren nach der Jahrtausendwende die Boutique von Lanvin in Paris betrat, hingen dort Kleider wie aus dem Boudoir einer Dame von Welt: raffinierte Schnitte und Drapierungen aus viel Stoff, gekrönt von großen Schleifen, funkelnden Applikationen oder asymmetrischen Details. Die Mode, die Alber Elbaz für die französische Marke entwarf, war üppig und feminin und knüpfte an die Entwürfe Jeanne Lanvins aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren an. Von 2001 bis 2015 war Elbaz Chefdesigner von Lanvin, es waren seine erfolgreichsten Jahre. Als Sohn marokkanisch-jüdischer Eltern wuchs er in der Nähe von Tel Aviv auf; Mitte der Achtzigerjahre ging Elbaz für einen ersten Job in der Modebranche nach New York, gut zehn Jahre später wechselte er nach Paris und begann Ende 1998 bei dem legendären Yves Saint Laurent, der Elbaz die Prêt-à-porter-Kollektion überließ. Der kleine, rund wirkende Mann, der meist mit Fliege auftrat und ausgesucht freundlich war, stand zeit seines Lebens für Eleganz. Erst im Januar hatte er mit AZ Factory eine neue eigene Linie präsentiert. Alber Elbaz starb am 24. April in Neuilly bei Paris an den Folgen einer Covid-Erkrankung.
Hahn Lionel/ABACA / ddp/abaca press

Eli Broad, 87 (6. Juni 1933 – 30. April 2021): Er galt als harter, sogar unerbittlicher Geschäftsmann, er stellte fest: »Ich bin nicht die beliebteste Person in Los Angeles« – dabei hatte er auch eine großzügige Seite. Der Sohn litauischer Einwanderer, 1933 in New York zur Welt gekommen, war ein Selfmademilliardär. Sein Vermögen erwarb er mit Immobilien- und Versicherungsgeschäften. Eli Broad hielt sich für jemanden, der unkonventioneller dachte als andere Firmeninhaber, darüber schrieb er sogar ein Buch. Trotz seines Reichtums warb er für eine Vermögensteuer und spendete hohe Summen für wohltätige Zwecke. Inspiriert von seiner Frau entwickelte er eine große Leidenschaft für zeitgenössische Kunst; besonders Werke von Erfolgskünstlern wie Robert Rauschenberg oder Cindy Sherman hatten es ihm angetan. Das Ehepaar unterstützte lange die Museumsszene von Los Angeles, bis es 2015 – zur Überraschung vieler – ein eigenes Museum eröffnete. »The Broad« zog vor der Pandemie jährlich Hunderttausende Besucher an. Eli Broad starb am 30. April in Los Angeles.
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