»TV Total« mit Sebastian Pufpaff: Was Silbereisen mit Goebbels gemein hat - DER SPIEGEL
Satire-Highlight oder Retro-Flop? Zurzeit leider eher Letzteres: Sebastian Pufpaff kann »TV Total« noch nicht schlüssig in die Gegenwart überführen. Ein, zwei starke Momente hatte seine Premiere aber.
Sebastian Pufpaff im ProSieben-Studio: Mögen die Götter der Glotze bald doch noch mit ihm sein
Foto: Willi Weber / ProSieben
Die Fernsehgötter sind gegen uns. Die heilende Macht der Zeit haben sie außer Kraft gesetzt, unsere Fernbedienungen haben sie mit einem Fluch belegt. Du kannst versuchen, eine Sendung zu einer bestimmten Zeit auf einem bestimmten Sender bewusst nicht einzuschalten – sie wird dir zu einer anderen Zeit auf einem anderen Sender wieder um die Ohren gehauen. Nie wurde der göttliche Zorn, der uns alle in einem Höllenfeuer ewig wiederkehrender Fernsehbilder schmoren lässt, deutlicher als in der Neuauflage von »TV Total«.
Wer nun die ZDF-Retrosause mit Thomas Gottschalk bewusst nicht geschaut hatte, bekam sie bei der ProSieben-Retrosause mit Sebastian Pufpaff doch wieder untergejubelt. Wie sein Vorgänger Raab stürmte Pufpaff zur Eröffnung die gleiche (nachgebaute) Showtreppe herunter und an der gleichen (konservierten) Showband vorbei, um die gleichen (naheliegenden) Witze über »Wetten, dass..?« zu reißen, wie sie genau so sein Vorgänger gerissen hätte. Gefangen in der Zeitschleife.
Zehn Minuten lang referierte Pufpaff mit vielen kleinen Einspielern über die vielen betagten Gäste der Konkurrenzveranstaltung sowie deren bedenklichen Gesundheitszustand und Kleidungsstil. Benny Andersson und Björn Ulvaeus von Abba? »Von welcher Bahnhofsmission kommen denn die beiden Zausel!« Udo Lindenbergs beklatschter Auftritt? »Da kriegt man schon Applaus dafür, dass man noch stehen kann!«
Oje, das Nippelboard
Doch darf sich über das Altern der Anderen nicht beschweren, wer mit Gadgets und Gags operiert, die seit ihrer Einführung in den Neunzigern auch schon Rost angesetzt haben. Denn feierlich enthüllte Pufpaff in der Mitte der Sendung das sogenannte, in den Moderationstisch eingelassene Nippelboard, an dem schon Raab einst gefummelt hatte. Dabei handelt es sich um eine Tastatur mit roten Knöpfen, auf die der Moderator drückt, damit besonders entblößende Schnipsel aus anderen Sendungen erklingen.
»TV Total« war zur Premiere der Neuauflage also pubertär und parasitär wie eh und je: Mit den – ho ho ho – Peinlichkeiten Konkurrenz füllte man das eigene Programm. Wobei Pufpaff umso besser wurde, je weniger pubertär er sich gab. Meint: Wenn er das Scheitern der Anderen zeigte und dabei auch einen gewissen medienkritischen Scharfsinn aufblitzen ließ.
Pufpaff ist ja nicht so blöd wie er oft tut, und »TV Total« wollte ja auch immer Fernsehkritik sein. Die gelang Pufpaff am Mittwoch auf erschreckend komische Art und Weise, als er die ARD-Show »Schlagerboom« mit Florian Silbereisen ins Visier nahm. Gezeigt wurde ein Ausschnitt, in dem der Schlager-Titan in einer Mehrzweckhalle die Menge mit den Worten aufstachelt: »Wollt ihr den Schlager nach zwei Jahren Pause endlich wieder so feiern wie er nur beim ›Schlagerboom‹ gefeiert wird?« Im Anschluss wurde die Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels aus dem Februar 1943 gezeigt – und die »Wollt Ihr«-Diktion und das Ausflippen des Reichspropagandaministers zeigten tatsächlich frappierende Ähnlichkeiten mit Silbereisens krakeelten Mobilisierungs-Fanal.
Zwischen 3sat und ProSieben
Nach dem bei YouTube abgerufenen Goebbels-Clip dann ein besorgter Blick von Pufpaff und die Mahnung: »Wir stehen diesem Clip kritisch gegenüber: Hier handelt es sich eindeutig um die Verharmlosung des deutschen Schlagers.« In solchen Momenten wird tatsächlich vorstellbar, dass die Retroshow unter Pufpaff zu zeitgemäßer satirischer Größe auflaufen könnte.
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Nach einigen weiteren passablen Treffern, etwa gegen »Bild«-TV (Bigotterie-Alarm!) und Markus Lanz (Narzismus-Terror!) landete Pufpaff am Ende dann aber schon wieder bei »Wetten, dass..?«. Diesmal ging es um den, nun ja, Scoop, wie er sich am Samstag bei der ZDF-Live-Sendung unter hanebüchenen Täuschungsmanövern aufs weiße Sofa vor die laufenden Kameras schummeln wollte. Tatsächlich lustig: Das ZDF-Aufsichtspersonal dachte zwischenzeitlich, Pufpaff würde für den ZDF-Partner-Sender 3sat autorisiert handeln. Bei 3sat hatte Pufpaff – seriös kann er ja doch auch – zuvor das Corona-Format »Noch nicht Schicht« moderiert.
Aber zehn Minuten »Wetten, dass..?« am Anfang und zehn Minuten »Wetten, dass..?« am Ende, das war bei den kaum 45 Minuten Nettosendezeit von »TV Total« einfach des Zeitschleifen-Horrors zu viel. Trotzdem geben wir die Hoffnung bei Pufpaff nicht auf: Mögen die Götter der Glotze ihn und uns doch noch vor der ewigen Verdammnis des deutschen Unterhaltungsfernsehens retten.
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