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Conference League: Die zahmen Rebellen vom 1. FC Union Berlin - WELT

Es bedarf wahrscheinlich eines Exkurses, bei allem Respekt, was Kuopion Palloseura oder kurz Kuopion PS ist. Es ist ein Klub aus dem Osten Finnlands, der seit 14 Jahren der ersten Liga des Landes angehört und als Tabellenzweiter nun am Donnerstag Gegner des 1. FC Union Berlin ist. Dessen Trainer hatte am Wochenende noch ein wenig Probleme mit dem Namen des Kontrahenten. „Kuopio PS, irgendwie“, rätselte Urs Fischer.

Beim Bundesligisten hätten sie sich für den Auftritt in der Conference League auch gut und gern etwas Klangvolleres vorstellen können, Feyenoord Rotterdam oder KAA Gent wären mögliche Kontrahenten gewesen, aber hier gilt es in erster Linie, zu akzeptieren, was da kommt, denn besser wird es im Großen und Ganzen eh kaum. Allenfalls schlechter.

Denn Union hatte auch zu befürchten, eine Fernreise über vier Zeitzonen in die kasachische Hauptstadt Nur-Sultan machen zu müssen, doch zur Erleichterung aller Betroffenen siegten die Finnen beim FK Astana mit 4:3 (0:2) in der dritten Runde und kegelten die Kasachen damit aus dem Wettbewerb.

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Quelle: WELT

Es bedarf eventuell, mit nicht ganz so viel nötigem Respekt, ebenfalls einer kurzen Erklärung, was die Conference League überhaupt ist. Also, die findigen Strategen der Uefa haben dieses Konstrukt aus dem Ärmel geschüttelt. Es gibt verschiedene Lesarten, warum das geschehen ist. Die blumigste Version ist, dass „der Zugang zum Europapokal mehr denn je erleichtert wird“, wie Uefa-Präsident Aleksander Ceferin es postuliert hat. Mit ihr sei gesichert, dass mindestens 34 Nationalverbände in einer oder mehreren Europapokal-Gruppenphasen vertreten sind. Außerdem profitiere die zweitklassige Europa League vom neuen Wettbewerb, an deren Gruppenphase nehmen künftig nur noch 32 statt 48 Teams teil.

Union muss im Stadion von Hertha spielen

Der wahre Grund aber dürfte im Naturell der Uefa zu finden sein, die in der Regel schlicht und ergreifend nicht von ihrer Gier nach mehr Geld lassen kann. 22 Jahre nach der Abschaffung des Europapokals der Pokalsieger dachte sich der Kontinentalverband wohl, dass es mal wieder an der Zeit wäre, neben Champions und Europa League einen dritten Wettbewerb einzuführen. Getreu dem Uefa-Credo: Mehr Europapokal-Spiele für mehr Klubs wie etwa dem Pokalsieger San Marinos und damit natürlich auch mehr Geld für Vereine – und selbstredend für die Uefa.

Also spielt nun am Donnerstag (18 Uhr, Sport1) Union das Play-off-Hinspiel in Finnland, allerdings nicht in Kuopions Väre Areena (2700 Sitzplätze, Kunstrasen, Baujahr 1939), sondern im Olympiastadion von Helsinki (36.200 Sitzplätze, Naturrasen, frisch renoviert). Die Finnen mussten sich dem Diktat der Uefa beugen, das eine bestimmte Anzahl von Sitzplätzen vorschreibt und nicht mit den 2000 Stehplätzen in Einklang zu bringen war, die sich auch noch im Stadion finden. Union teilt quasi das gleiche Schicksal, wenngleich es die Fans des Klubs etwas härter trifft. Zwar müssen sie ihr Heimspiel am 26. August nicht wie zuvor der Gegner 400 Kilometer weit weg vom eigegen Stadion austragen, sondern nur in 30 Kilometer Entfernung, dafür aber an einem Ort, der eigentlich tabu ist – im Berliner Olympiastadion, Heimstätte des Erzrivalen Hertha BSC.

Die Ostkurve, Heimat der Hertha-Anhänger, wird zwar nicht betreten. Sie ist gesperrt. Doch der Stadionkompromiss zeigt auch das Dilemma, in das die Klubs geraten, weil sie den Verlockungen der Uefa nur allzu willfährig erliegen. Als inoffizielles Vereinsmotto von Union Berlin darf wohl „Wir sind anders als die anderen“ gelten und als übergeordnetes Mantra Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs.

Unions Präsident Dirk Zingler
Unions Präsident Dirk Zingler
Quelle: pa/dpa/Andreas Gora

Es wäre deswegen ein bemerkenswerter Schritt der Berliner gewesen, wenn sie der Uefa mitgeteilt hätten, dass sie entweder im eigenen Stadion ihre internationalen Spiele austragen oder eben auf das Startrecht verzichten. Doch stattdessen postulierte Vereinspräsident Dirk Zingler in einem Brief an die Klubmitglieder: „Dieses Spiel, die Trainer und Spieler, die es sich erarbeitet haben, unser Verein, ihr als Vereinsmitglieder, hunderttausende Sympathisanten in unserer Stadt und darüber hinaus, verdienen die höchstmögliche Anzahl von Zuschauern.“

2,94 Millionen Euro Startgeld für Union

Außerdem schickte er einen Brief an Uefa-Boss Ceferin, in dem er darum warb, Stehplätze bei internationalen Spielen zuzulassen und „dass die nationalen Regeln des jeweiligen Mitgliedslandes auch bei Spielen der Uefa angewendet werden können“. Das aber mutete an, als zöge Robin Hood gegen den Sheriff von Nottingham zu Felde, wohl wissend, dass er Pfeil und Bogen in der „Alten Försterei“ vergessen hat.

Letztlich, das lässt sich am Beispiel von Union recht gut festmachen, sind auch die vermeintlichen Rebellen mit den Mitteln der Uefa gut auf Kurs zu bringen. Zum einen ist der Verband kompromisslos, zum anderen ein Geldbringer. In Zeiten knapper Kassen durch Corona-Restriktionen wie ein Heilsbringer. Im Fall von Union bedeutet das bei Erreichen der Gruppenphase: 2,94 Millionen Euro Startgeld, 500.000 Euro für einen Sieg, 166.000 für ein Remis – und wenn alles gut läuft in der nächsten Saison einen Platz in der Gruppenphase der Europa League. Relativ wenig im Vergleich zur Champions League, wo jedes der ebenfalls 32 Teams allein über 15 Millionen Euro an Startgeld bekommt. Aber genug, um kleinen Klubs wie Union Berlin selbst die zäheste Kröte noch schmackhaft zu machen und ihn selbst als Tabellensiebten der vergangenen Saison noch starten zu lassen.

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Die Conference League wirkt wie ein Wurmfortsatz aus dem Gedärm der Uefa und weckt Erinnerungen an längst überwunden geglaubte Zeiten. Die Uefa hatte einst ja den Uefa Intertoto Cup ersonnen. Er sollte ursprünglich mal in der an sich fußballfreien Zeit dafür Sorge tragen, dass Totowetten weiter platziert werden konnten. Mitte der 90er-Jahre wurde er dann meist nur noch „UI-Cup“ genannt, vom einstigen Schalker Manager Rudi Assauer auch mal „Döner-Cup“, als der Zampano befürchtete, sich mit Schalke für den Wettbewerb zu qualifizieren. „Da können wir wieder den ganzen Nahen Osten bereisen“, stöhnte Assauer.

Es mussten diejenigen ran, die knapp an einem Platz für den damaligen Uefa-Cup gescheitert waren. Im Frühjahr 2002 drohte Bayern München das Schicksal, der Klub stand nicht gut da, aber UI-Cup kam für Uli Hoeneß nicht infrage: „Wenn wir es nicht schaffen“, sagte der damalige Bayern-Manager, „dann wollen wir nächstes Jahr nicht international spielen. Dann erholen wir uns in der Bundesliga.“

In der Confernce League nun qualifiziert sich grundsätzlich der Bundesliga-Sechste für die Play-offs. Landet aber wie in diesem Jahr der DFB-Pokal-Sieger unter den ersten Sechs, geht das auf Platz sieben liegende Team ins Rennen. In diesem Fall Union. Play-off, Gruppenphase, K.o-Runden und dann das Finale am 25. Mai in Tirana/Albanien. Vielleicht gegen Tottenham Hotspur, eventuell aber auch gegen Santa Clara aus Portugal.

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