Auf dem Rad werden die Fahrer im Wesentlichen durch drei Kräfte ausgebremst: den Luftwiderstand, den Steigungswiderstand und den Rollwiderstand. Beim Material kommt es also auf die richtige Mischung aus Aerodynamik, geringem Rollwiderstand und geringem Gewicht an - zudem dürfen bei den Rädern die Steifigkeit und der Fahrkomfort nicht zu kurz kommen.
Der Rahmen: Aerodynamisch und superleicht
Die Hauptkomponente ist der Rahmen. Dessen grundsätzliche Form ist vom Weltradsportverband UCI vorgegeben und muss auch von der UCI genehmigt werden. Etwas Spielraum haben die Hersteller aber bei der aerodynamischen Gestaltung der Rahmenrohre. Specialized zum Beispiel, auf dessen Räder unter anderem Bora-hansgrohe und Deceuninck Quick-Step unterwegs sind, hat es nach eigenen Angaben geschafft, sein aktuelles Modell auf 40 Kilometern noch einmal 45 Sekunden schneller zu machen als den Vorgänger. Ähnliches verspricht Ineos-Ausrüster Pinarello für sein Topmodell. Beim deutschen Hersteller Canyon hat man spezielle Carbon-Fasern verbaut, um das Aerorad noch einmal 170 Gramm leichter zu machen.
Ewig abspecken geht allerdings auch nicht. Die untere Gewichtsgrenze bildet das UCI-Reglement. Die Räder dürfen zusammen mit dem fest verbauten Zubehör nicht leichter als 6,8 Kilogramm sein. Zuletzt hatten die Hersteller kaum Probleme, diese Grenze zu unterbieten und so auch etwas Luft, um bei den Rahmen an der Aerodynamik herumzufeilen. Die Zeiten, dass es ein Rad für Flachetappen und ein spezielles Bergrad gab, sind dadurch größtenteils vorbei. "Jedes Bergfahrrad hat mittlerweile genug aerodynamische Aspekte drin - wenn der Hersteller überhaupt noch zwei Modelle hat", weiß Lars Teutenberg, Performance Director beim Team Canyon/SRAM und einer der größten Technik-Experten in der deutschen Radsportszene. Ausnahme bleiben die speziellen Zeitfahrräder.
Das Bremssystem: Scheibenbremse hat Felgenbremse verdrängt
Deutlich eingeschränkt wurde der Gewichtsspielraum beim Gesamtrad durch das Aufkommen der Scheibenbremsen, die sich mittlerweile auch im Profisport größtenteils durchgesetzt haben und schwerer sind als die Felgenbremsen. "Bei Scheibenbremsen sind die meisten Hersteller froh, dass es die 6,8 Kilogramm-Regel gibt - darunter zu kommen wird schwer", sagt Technik-Experte Teutenberg. Eines der wenigen Teams, das überhaupt noch mit Felgenbremsen unterwegs ist, sei Ineos.
Aus Teutenbergs Sicht sind die Scheibenbremsen - auch Discs genannt - das überlegene Bremssystem, insbesondere bei Abfahrten. "Bei einer Felgenbremse kann die Felge heiß werden und sich verformen", so Teutenberg. "Gerade bei Tubeless-Reifen, die immer mehr im Kommen sind, kann das zu Problemen führen." Ein weiterer Vorteil der Scheibenbremsen sei, dass man auch bei der Auswahl der Felgen- und Reifenbreite nicht mehr so limitiert sei.
Das neue Bremssystem bietet letztlich also auch mehr Spielraum bei der Auswahl der Laufräder.
Die Laufräder: Hohe Felgen aus Carbon
Die Laufräder bei einem Fahrrad bestehen aus Felge und Reifen. Bei den Felgen ist schon seit längerem Carbon das Mittel der Wahl. Der Werkstoff ist leicht, bietet eine höhere Steifigkeit, und mit ihm sind bei gleichem Gewicht wie bei Alufelgen andere, aerodynamischere Formen möglich - insbesondere höhere Felgen. "Etwa 60 Millimeter Höhe sind aktuell der aerodynamische Standard bei Flachetappen, wenn es bergauf geht, fährt man durchaus flachere Felgen", erklärt Teutenberg.
Wichtig ist aber auch das Zusammenspiel von Felge und Reifen, beides muss zusammenpassen und harmonieren. Etwa bei der Breite, aber auch bei der Art des Reifens.
Die Reifen: Schlauchreifen, Clincher und Tubeless
Man unterscheidet grundsätzlich drei Reifentypen: Draht- oder Faltreifen, englisch auch Clincher genannt, Schlauchreifen und schlauchlose Reifen, auch Tubeless genannt.
Im Amateur- und Freizeitbereich am weitesten verbreitet sind die Clincher. Hier wird der Reifenmantel an den etwas erhöhten Felgenhörnern aufgehängt. Innendrin ist ein separater Schlauch, der mit Luft gefüllt wird.
Im Profisport waren lange Jahre Schlauchreifen der Standard. Hier sind Schlauch und Mantel miteinander vernäht - der Reifen wird auf die Felge aufgeklebt. Die Felge ist in der Mitte leicht gewölbt, besitzt aber keine seitlich hochstehenden Felgenhörner. Bei einem Defekt haben solche Reifen bessere Notlaufeigenschaften - hinzu kommt der Gewichtsvorteil gegenüber anderen Reifensystemen, da die Felgen leichter konstruiert werden können.
"Die neueste Technologie im Reifenbereich sind Tubeless-Reifen - also schlauchlose Reifen", erklärt Jan-Niklas Jünger, Produktmanager beim deutschen Reifenhersteller Continental. Die Felgenform ähnelt der von Drahtreifen. Allerdings wird innen kein gesonderter Schlauch benötigt. Das Ventil ist fest mit der Felge verbunden. "Tubeless-Reifen haben den Vorteil, dass man den Luftdruck deutlich variieren kann zwischen zwei und 7,5 Bar", so Jünger. Lard Teutenberg ist von den Tubeless-Reifen überzeugt. "Wir als Canyon/SRAM-Team fahren nur noch Tubeless." Zusammen mit der passenden Felge sei das System anderen Kombinationen überlegen.
Bora auf Clincher unterwegs
Manche Hersteller haben hier allerdings andere Ansichten und entsprechend auch gar nicht alle Reifentypen im Angebot. Bora-hansgrohe zum Beispiel, das von Specialized ausgerüstet wird, ist in diesem Jahr auf Clinchern unterwegs. "In den Tests hat sich herausgestellt, dass die Clincher die schnellsten sind. Wir fahren den 26er Turbo-Cotton auf extrem breiten Felgen", sagt André Schulze, sportlicher Leiter bei Bora-Hansgrohe.
Continental hingegen hat alle Reifentypen im Angebot. "Die Teams entscheiden je nach Etappenprofil und Fahrertyp, welche Reifen zum Einsatz kommen", erklärt Jünger. Bei der Tour de France sind in diesem Jahr sechs Teams offiziell auf Conti-Reifen unterwegs: Ineos, Movistar, Bahrain Victorious, Groupama FDJ und Intermarché - Wanty - Gobert Matérieux.
Clincher sparen 35 Watt bei 55 km/h
Eines der wichtigsten Auswahlkriterien bei der Reifenwahl ist der Rollwiderstand. "Der Rollwiderstand ist abhängig vom Gewicht des Systems - also Fahrer und Rad - und der Geschwindigkeit. Je schwerer und schneller, desto höher ist der Rollwiderstand", erklärt Jünger. Moderne Clincher bzw. Faltreifen haben unter allen Reifentypen den geringsten Rollwiderstand. Auch deshalb werden sie schon seit Jahren bei Zeitfahren genutzt.
Der Unterschied zwischen dem Widerstand eines Schlauch- und eines Faltreifens liegt laut Jünger bei etwa 20 Prozent. "Dadurch lassen sich mit einem Faltreifen bei einer Geschwindigkeit von 55 km/h bis zu 35 Watt einsparen. Zusätzlich hat der Vorderradreifen bei Faltreifen einen aerodynamischen Vorteil", sagt der Reifenexperte.
Bei geringerer Geschwindigkeit und einem leichten Fahrer spiele der Rollwiderstand hingegen nicht mehr die größte Rolle. Hier sei das Gewicht entscheidend, und dort griffen die Teams dann eher noch zu den Schlauchreifen mit ihren bauartbedingt leichteren Felgen, so Jünger. Bei manchen Herstellern seien diese Felgen bis zu 500 Gramm leichter als die Variante für Tubeless- oder Faltreifen.
Breitere Reifen mit weniger Druck
Generell zeigt sich schon seit mehreren Jahren der Trend zu breiteren Reifen mit deutlich geringerem Druck als früher. In den 90er-Jahren waren die Reifen noch extrem schmal und sehr hart aufgepumpt. "Wir sind von 19 Millimetern Breite und zwölf Bar Druck aus Jan-Ullrich-Zeiten gekommen", erklärt Reifenexperte Jünger. "Heute fährt man 25- bis 28-Millimeter-Reifen in einem Druckbereich von fünf bis acht Bar." Oder, wenn sich die Tubeless-Reifen weiter durchsetzen, sogar noch geringeren Druck.
Doch woher kommt dieser Wandel? Jünger erklärt es mit den damaligen Testszenarien. Die Reifen wurden auf glatten, ebenen Flächen unter Laborbedingungen getestet - und dort haben harte, schmale Reifen die besten Werte erzielt. Später wurde das Labor nach draußen verlagert - sprichwörtlich auf die raue Landstraße - und die Forschungsergebnisse wurden angepasst.
Hinzu kommt, dass man nicht alleine auf die Reifen schauen darf - sondern gerade beim Thema Aerodynamik das Gesamtsystem aus Reifen, Felge, Gabel und Fahrer sehen muss, wie André Schulze von Bora-hansgrohe ergänzt.
Elektronische Schaltgruppen
Damit die Räder überhaupt in Bewegung kommen und die Leistung der Fahrer auf die Straße übertragen wird, braucht es ein weiteres wichtiges Bauteil: Die Schaltgruppe - die neben den Bremsen aus Kurbel, Kettenblättern vorne, Kassette hinten, Umwerfer, Schaltwerk, Schalthebeln und Kette besteht.
Die Teams fahren jeweils das Topsystem eines der drei großen Anbieter: Entweder Red eTap AXS von SRAM, Dura Ace Di2 von Shimano oder Campagnolos Super Record EPS. Alle Schaltsysteme sind elektronisch und haben integrierte Leistungsmessgeräte. Shimano lag zuletzt etwas hinter den beiden Mitbewerbern zurück, da sie für das Hinterrad nur eine 11-fach-Kassette im Angebot hatten, während die anderen bei ihren Topgruppen schon auf 12-fach-Kassetten umgestiegen waren. Gerüchteweise soll aber auch von Shimano schon bald eine Gruppe mit 12-fach-Kassette kommen - einige Fahrer könnten bei der Tour bereits mit Prototypen unterwegs sein.
53/39 vorne - und 28er Kassette hinten
Der Standard bei der hinteren Kassette ist ein 28er Ritzel als größtes Ritzel. "Kleinere Kassetten werden nur noch selten gefahren - vielleicht noch beim Zeitfahren, damit man eine feinere Abstufung hat", erklärt der Performance Director des Canyon/SRAM-Teams, Lars Teutenberg. "Größere mit 30er oder 32er Ritzel werden im Profibereich nur bei ganz speziellen Bergetappen aufgebaut."
Vorne ist 53/39 der Standard. "Ein Sprinter fährt vielleicht ein 54er Blatt", so Teutenberg. Nur bei ganz extremen Bergpässen komme auch mal als zweites Kettenblatt ein 36er zum Einsatz.
Kleidung: Belüftung genauso wichtig wie Aerodynamik
Nicht nur bei den Rädern wird an jedem Detail geschraubt - auch die richtige Bekleidung kann enorme Vorteile bringen. Wie Tests im Windkanal zeigen, können spezielle Aerotrikots bei hohen Geschwindigkeiten um die 30 Watt gegenüber einem Standardtrikot einsparen.
Wichtigstes Kriterium: Die Kleidung muss eng anliegen, darf nicht flattern. Dabei kommen spezielle, elastische Gewebe zum Einsatz. Die Beinabschlüsse haben oft eine Silikongummierung, damit nichts verrutscht.
Es wird auch mit verschiedenen Stoffkombinationen gearbeitet: Teils glatte Gewebe, dort wo der Wind aufprallt und an anderen Stellen strukturierte Flächen mit Längsrillen und Wabenmustern, die dafür sorgen, dass sich der Luftstrom vom Trikot löst und es weniger Verwirbelungen gibt. In den Hosen sind Sitzpolster eingenäht, der gewählte Stoff ist extrem dehnbar und leitet Feuchtigkeit gut ab.
Aber Aerodynamik alleine ist nicht alles, wie Radsport-Experte Teutenberg betont. Die Kleidung muss auch die Wärme gut ableiten. "Wenn ein Fahrer überhitzt, ist der Leistungsverlust höher als bei einer schlechteren Aerodynamik", so Teutenberg.
Protoypen bei der Tour
Ein Großteil der Ausrüstung der Radsportler wird heute im Austausch mit den Profis entwickelt. Auch bei der Tour dürften die Fahrer mit etlichen Prototypen unterwegs sein, die es so noch nicht zu kaufen gibt. "Viele Hersteller kommen kurz vor der Tour mit neuem Material", sagt André Schulze von Bora-hansgrohe. Experimente geht man beim wichtigsten Radrennen der Welt allerdings nicht ein. "Das Material wird schon in den Rennen vorher - etwa bei der Dauphiné - ausgiebig getestet."
Und was sich bewährt, kommt kurz darauf auf den freien Markt - auch das eine Vorgabe des UCI-Reglements. Spätestens zwölf Monate nach dem ersten Renneinsatz muss das neue Material für jeden zu kaufen sein, der Radfahren als Sport ausübt.
Stand: 25.06.2021, 07:52
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