
Julian Nagelsmann
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Wie besiegt man Bayern München?
Die Frage treibt die Fußball-Bundesliga seit Jahren um, und meist lautet die Antwort: gar nicht. Julian Nagelsmann hat das immerhin schon zweimal geschafft. Der Trainer traf mit seinen Mannschaften bislang neunmal auf die Münchner, neben zwei Siegen kann er vier Unentschieden vorweisen, dreimal verlor er. Das ist für Bundesligaverhältnisse eine vorzeigbare Bilanz. In den acht Jahren, in denen der FC Bayern zuletzt in Folge die Meisterschaft holte, verlor der Klub im Schnitt nur dreimal pro Bundesligasaison.
Am Samstag (18.30 Uhr, TV: Sky) misst Nagelsmann, 33 Jahre, sich zum zehnten Mal mit dem Dauermeister. Ein Sieg in der eigenen Arena, und RB Leipzig ist bis auf einen Punkt dran am Tabellenführer. Das vergangene Duell zwischen beiden Teams hat gezeigt, wie Nagelsmann den Münchnern beizukommen versuchte – und dass sein Plan aufgehen könnte.
Die Bayern hinter ihren Außenverteidigern erwischen
In jener Partie Anfang Dezember (3:3) sah Nagelsmanns Idee vor, den Offensivgeist der Münchner zu bestrafen. Er versuchte, sie dort zu erwischen, wo sie theoretisch am anfälligsten sind: in dem Bereich hinter den aufgerückten Außenverteidigern, damals Benjamin Pavard und David Alaba.
RB begann die Partie in einer Mischung aus 4-3-3 und 4-3-2-1, und die Rollen der drei vordersten Spieler waren entscheidend für den Angriffsplan. Die Außenstürmer blieben meist weit vorn, sie gingen im Rücken des jeweiligen Bayern-Außenverteidigers in Lauerstellung. Ungewöhnlich war zudem, wie Nagelsmann die Mittelstürmerposition besetzte. Dort spielte kein athletischer Typ wie Yussuf Poulsen oder Alexander Sørloth, sondern Emil Forsberg. Der ist eigentlich Zehner.
Gegen die Bayern blieb Forsberg dann auch nicht vorn, im Gegenteil, er ließ sich tief ins Mittelfeld fallen, und zwar so weit, dass Bayerns Innenverteidiger Jérôme Boateng und Niklas Süle ihm nicht folgten, weil sie damit das Abwehrzentrum aufgäben. Der direkte Weg zum Tor wäre frei. Im Fußball eine Todsünde. Doch den luftleeren Raum decken, das war auch keine gewinnbringende Option.
»Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir auf Konter spielen«
So kam es, dass vor RBs Treffer zum 1:0 einer der Bayern-Verteidiger, Boateng, die Mitte besetzt hielt, während der andere, Süle, nach außen lief, zum freien Leipziger Außenstürmer. Die Münchner Abwehr war entzerrt. In dem Moment, in dem RB an den Ball gelangte und die Chance zum Umschalten erhielt, liefen die beiden Außenstürmer diagonal in Richtung Bayern-Tor, also in jenen Raum, der offengelegt worden war.
Nagelsmann veränderte während der Partie auch das Anlaufverhalten seiner Mannschaft. Erst attackierte sie mit zwei Stürmern und in der Münchner Hälfte. Später nur noch mit einem und merklich tiefer. So stellte er den Favoriten vor neue Aufgaben. Fast hätte das zum Sieg gereicht, aber eben nur fast.
Einiges von dem, was seine Mannschaft bei jenem 3:3 in der Hinrunde zeigte, hatten Nagelsmann-Teams schon in den vorigen Begegnungen mit den Bayern im Repertoire gehabt. Das Vorhaben, hinter die bayerischen Außenverteidiger zu gelangen, war schon vergangene Saison im direkten Duell zu beobachten gewesen. Auch damals hatte er während der Partie die Ausrichtung seiner Elf geändert. »Bayern hat uns sehr hoch erwartet. Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir auf Konter spielen«, sagte Nagelsmann damals nach der Partie bei Sky. Er hatte die Münchner überraschen wollen, und es war ihm gelungen.

Nagelsmann, der Fußballlehrer: Hier im Dialog mit Marcel Sabitzer
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Gegner überraschen, den eigenen Plan über den Haufen werfen, wenn er nicht funktioniert: Für beides ist Nagelsmann berüchtigt. Sein damaliger Stürmer Andrej Kramaric hatte 2019 in Hoffenheim beklagt, die TSG wechsele »zu oft das System während des Spiels. Wir sind keine Roboter, sondern Menschen. Das sind viele Fehler von draußen.« Nagelsmann entgegnete damals, er schaue sich »alle meine Spiele an, verschriftliche alle Entscheidungen, die ich getroffen habe.« Manchmal komme er als Trainer zu dem Ergebnis, »dass die Umstellungen deutlich zu viel waren«. Doch er sei überzeugt von seinem Weg.
Das darf er sein, die Resultate jedenfalls lassen keinen Zweifel daran, dass er ein sehr guter Trainer ist. Vergangene Saison führte er RB ins Halbfinale der Champions League und in der Liga auf Platz drei. Aktuell sind noch Meisterschaft und DFB-Pokalsieg möglich.
Kein Wunder, dass er als einer gilt, der zu Höherem berufen ist.
Ein Sieg würde Nagelsmann noch interessanter machen
Sollten Nagelsmanns Leipziger die Bayern tatsächlich schlagen können, hätte das wohl zwei Effekte. Der Titelkampf in der Bundesliga dürfte zumindest über längere Zeit ausgefochten werden. Und Nagelsmann würde für die Bayern noch einen Funken interessanter werden als er es ohnehin ist.
Dass der Trainer eines Tages ein Kandidat auf die Nachfolge von Hansi Flick bei den Münchnern sein wird, liegt auf der Hand. Bessere deutsche Trainer gibt es kaum.
Und Flicks Abgang könnte bekanntlich schneller gehen als eigentlich angenommen, nämlich dann, wenn es Flick schon vor seinem Vertragsende zum DFB ziehen sollte. Dann müsste man bei den Bayern bald entscheiden, ob Nagelsmann der neue Trainer sein könnte.
Der Klub spiele »in meinen Träumen schon eine etwas größere Rolle«, sagte Nagelsmann 2017: »Ich bin sehr, sehr glücklich, aber der FC Bayern würde mich vielleicht noch ein Stück glücklicher machen.« Die Bayern zu schlagen, würde auf dem Weg dorthin gewiss nicht schaden.
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