
Winterball in München
Foto: Bernd Feil / M.i.S. / pool / imago imagesNach zwölf Minuten stürmten sieben dick eingemummte Männer den Platz und schippten mit breiten Schaufeln die Linien frei. Zeitgleich erfolgte der erste Wechsel des Spiels, die Bälle wurden getauscht, für den Rest der ersten Hälfte kullerte fortan ein orangefarbener Ball über den weißen Rasen. In der Halbzeit befreite ein rumpelnder Unimog mit einer überdimensionalen Tennisabziehmatte hinter sich den Platz vom Schnee.
Voller Einsatz allerorten also bei Bayern München, und den wollte auch der Trainer bei seiner Elf gesehen haben: Nach Abpfiff lobte Hansi Flick die Mentalität seiner Mannschaft als »sensationell«. Nach einem 3:3. Zu Hause. Gegen Bielefeld.
Viel hatte dafür gesprochen, dass die Partie des neuen Klubweltmeisters gegen den Aufsteiger aus Ostwestfalen eine unaufgeregte Pflichtveranstaltung würde. Stattdessen wurde es ein spannendes, kurioses, lustig anzusehendes Spektakel. Bayern gegen Bielefeld, beste Faschingsunterhaltung zur Rosenmontags-Primetime. Wer hätte das gedacht? Darauf einen Tusch.
Grobe Fehler in der Defensive
Nur die Heiterkeit beim FC Bayern war danach doch überschaubar. Weniger wegen des von sieben auf fünf Punkte geschrumpften Abstands auf Verfolger Leipzig, das konnten sie ganz gut verschmerzen. Viel schwerer wiegen gerade die Ausfälle beim Personal – und vor allem die erneut massiven Defizite in der Abwehr, die man nach den vergangenen Spielen schon hinter sich wähnte. Denn die drei Gegentore lagen am Montag keineswegs am schlechten Zustand des Platzes. Alle Bielefelder Treffer resultierten aus groben Schnitzern in der Defensive.
Gerade zwischen den beiden Innenverteidigern Niklas Süle und Lucas Hernandez klafften enorme Lücken, es fehlte an der Zuordnung: Ob beim 0:1, als Bielefelds Winterzugang Michel Vlap unbedrängt zum Schuss kam. Oder wenig später, als Amos Pieper nach einer Ecke frei stehend das zweite Tor für die Gäste köpfte. Am eklatantesten, als Christian Gebauer nur eine Minute nach Robert Lewandowskis Anschlusstor mühelos auf 3:1 erhöhte.
An diesem Abend wurde klar, wie sehr David Alaba in der zentralen Abwehr vermisst wird, wenn er wie schon zuletzt im Klub-WM-Finale im Mittelfeld spielt – und erst recht, wenn er den Klub am Saisonende verlassen wird. Und klar wurde auch, wie sehr die Hoffnungen schon jetzt auf Dayot Upamecano ruhen müssen, der zur kommenden Saison aus Leipzig nach München kommt. Was die Bayern derzeit in dieser Konstellation nicht haben und auch nächste Saison so dringend brauchen, ist ein Abwehrchef.
»Dinge, die wir abstellen müssen«
Am Montag schien es, als stünden in der Münchner Defensive einzelne Verteidiger herum. Aber nicht im Verbund als Abwehrkollektiv. Es gibt in dieser Viererkette niemanden, der klar und deutlich wie sonst Alaba die Nebenspieler dirigiert und auch positioniert. Mit Ansagen, mit einer klaren Kommunikation, mit Präsenz und Körpersprache. Weder Süle noch Hernandez, erst recht nicht auf rechts der sehr schwache Bouna Sarr, der für einen zuletzt sehr schwachen Benjamin Pavard spielte. Und wenngleich auf der linken Abwehrseite Alphonso Davies seine gute Leistung mit dem Tor zum 3:3 belohnte: Letztlich liefen alle vier Spieler ungeordnet nebeneinander her. Still, schweigsam und oft orientierungslos.
Mochte Flick die besagte »sensationelle Mentalität« seiner Mannschaft loben, nach einem zweimaligen Zwei-Tore-Rückstand noch einen Punkt geholt zu haben: So sehr sprach auch er immer wieder über die Fehler in der Verteidigung. »Dinge, die wir abstellen müssen«, sagte er, »das waren einfache Tore« oder auch: »Da haben wir uns es selbst schwer gemacht.«

Bayern-Trainer Hans-Dieter Flick
Foto: LUKAS BARTH-TUTTAS/POOL/EPA-EFE/ShutterstockSchwer wird es für die Bayern auch in den nächsten Wochen. Am Samstag geht es nach Frankfurt, zur besten Bundesligamannschaft 2021, drei Tage später zu Lazio Rom in der Champions League. Wann Jérôme Boateng (Sonderurlaub) und Thomas Müller (Covid) wieder zur Mannschaft stoßen, ist unklar. Länger ausfallen werden wohl Serge Gnabry mit Muskelfaserriss und Douglas Costa mit einem Haarriss im Fuß, möglich, dass Leon Goretzka für Samstag wieder fit wird. Eine schwierige Zeit für Flick.
Vier Minuten und 15 Sekunden
Die er sich selbst mit seinen Aussagen vom Sonntag zu Corona, Politikern und Experten noch erschwert hat. Am Montagabend dann sprach Flick erneut, auf die Frage eines Reporters, ob er mit solch teils heftigen Reaktionen gerechnet hätte. Flicks Erwiderung dauerte vier Minuten und 15 Sekunden. »Dass es so hohe Wellen schlägt, hätte ich nicht erwartet«, so Flick. »Der letzte Tag war extrem, ich habe auch viel böse Nachrichten bekommen, aber damit muss ich leben, damit komme ich auch zurecht, weil ich zu meiner Meinung im Großen und Ganzen stehe.«
Es war Flick anzumerken, dass er sich falsch verstanden fühlte, dass er Dinge zurechtrücken und differenziert darstellen wollte, dass er, wie er sagte, der Öffentlichkeit »seine Emotionalität näherbringen« wolle. Dass er »nicht nur als Trainer des FC Bayern« geantwortet habe, sondern auch als einer, der 23 Jahre lang als Einzelhändler ein Sportgeschäft führte.
Flick (»Ich bin auch Familienvater und habe zwei Enkelkinder«) äußerte sich auch zu dem von ihm gescholtenen SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. »Es ist vielleicht gut, wenn ich mich persönlich mit Herrn Lauterbach ausspreche, unter vier Augen und nicht in einer Talkshow. Oder auch am Telefon. Ich bin keiner normalerweise, der einen Menschen, den er nicht kennt, so in ein Licht stellen möchte.« Weshalb er im Nachhinein auch »das ein oder andere anders formulieren« würde.
Ein bisschen Selbstkritik also. Die war an dem Abend aber nicht nur von Flick angebracht.
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