Knapp 70 Minuten hat Apples iPhone-Event am Dienstagabend gedauert. Den neuen iPhones 12, 12 Mini, 12 Pro und 12 Pro Max wurde davon rund eine Stunde gegönnt. Das war auch richtig so, schließlich sind die nie billigen Smartphones Apples wichtigste und lukrativste Einnahmequelle. Von den 59,7 Milliarden Dollar Umsatz, die der Konzern für das dritte Quartal 2020 gemeldet hat, entfielen 26,418 Milliarden auf iPhones.
Da Apple wegen Verzögerungen aufgrund der Coronakrise zudem mit den neuen iPhones spät dran ist, muss das Unternehmen jetzt zusehen, dass die neuen Modelle möglichst schnell möglichst viele Menschen begeistern. Das wichtige Jahresendgeschäft mit den jeweils neuen iPhones ist von mehreren Monaten auf wenigen Wochen verkürzt.
Vor allem die 5G-Technologie soll es nun schaffen, iPhone-Interessierte zu iPhone-Käufern zu machen. Damit sind die Kalifornier reichlich spät dran, bei Android-Smartphones gehört 5G zumindest ab der oberen Mittelklasse bereits zur Standardausstattung. Trotzdem heißt es bei Apple: "Es gibt 5G. Und 5G auf dem iPhone."
Nicht immer die beste Lösung
Tatsächlich haben die neuen Apple-Handys bei dem schnellen Mobilfunkstandard der Zukunft einige Besonderheiten zu bieten. So unterstützen die iPhones 12, 12 Mini, 12 Pro und 12 Pro Max laut Apple mehr für 5G genutzte Frequenzbänder als irgendein anderes Smartphone. Das ist wichtig, weil je nach Land und Provider andere Frequenzen für 5G herangezogen werden und die iPhones damit im Idealfall überall dort, wo es 5G gibt, auch 5G nutzen können.
Leider gibt es in vielen Gegenden noch keine 5G-Netze und selbst wenn, kann es vorkommen, dass man mit 5G schlechter dran ist als mit LTE. So lautet zumindest das sicher nicht global geltende aber doch exemplarische Ergebnis einer Untersuchung der Tarif-Vergleichsportals Verivox. Dessen Tester haben die Netzgeschwindigkeit an 22 beliebten deutschen Touristenzielen gemessen und kamen dabei auf eine durchschnittliche Download-Geschwindigkeit von 375 Megabit pro Sekunde, egal ob sie per LTE oder 5G verbunden waren.
Zudem nehme die verfügbare Bandbreite ab, wenn LTE und 5G "an einem Mobilfunkmast parallel genutzt werden." Auf der Bodenseeinsel Mainau führe dies dazu, "dass dort 5G-Kunden nur rund halb so schnell surfen wie Nutzer des 4G-Netzes."
Das Problem mit der Akkulaufzeit
Während Apple auf dieses Problem nur wenig Einfluss haben dürfte, hat sich der Konzern für einen anderen Schwachpunkt der 5G-Technik eine zumindest theoretisch clevere Lösung ausgedacht: und zwar für den hohen Stromverbrauch von 5G, der die Akkulaufzeit von Smartphones teils drastisch reduziert. Laut der Computerzeitschrift "Chip" kommt beispielsweise Samsungs Galaxy S20 Ultra mit 5G nur auf 54 Prozent der Akkulaufzeit, die es im LTE-Netz schafft.
Damit den neuen iPhones ein so peinlicher Lapsus nicht widerfährt, bieten sie den sogenannten "Smart-Data-Modus". Ist der aktiviert, wird 5G nur eingeschaltet, wenn das iPhone dessen mögliche Bandbreite auch wirklich braucht, also etwa, wenn man eine große App oder einen Film herunterladen will, was unter Idealbedingungen nur Sekunden dauert. Ist das erledigt, wird wieder auf das Strom sparende LTE zurückgeschaltet. Wer das nicht will - das könnten dieselben Leute sein, die die Sprit sparende Start-Stopp-Funktion im Auto abschalten – muss diesen Modus nicht aktivieren.
Ganz nebenbei könnte das intelligente Umschalten zwischen LTE und 5G den Providern aber auch helfen, weniger sichtbar zu machen, wo noch Lücken im 5G-Ausbau sind, da man idealerweise nicht merken wird, in welchem Netz man gerade unterwegs ist.
Wichtig für 5G, nicht wegen 5G
Forrester Analyst Thomas Husson erklärt zudem, dass "Apple mehr für 5G tun wird als 5G für die neuen iPhones." Das würde zu Apples typischem Vorgehen passen, neue Technologien nicht als Erster zu verwenden, sie dann aber für seine Kunden so einfach nutzbar und so verlockend zu machen, dass sie den Markt dominieren. Eine kabellose Ladefunktion etwa hatten vor Apple auch schon andere angeboten, aber erst als es sie in iPhones gab, wurde sie im großen Stil populär.
So könnte es jetzt auch mit 5G sein: Indem Apple den schnellen Mobilfunk einbaut, wird das Unternehmen binnen kurzer Zeit zu einem der wichtigsten Player in diesem Bereich werden. Schließlich ist das Unternehmen mit knapp 60 Prozent Marktanteil in den USA mit weitem Abstand Marktführer, weltweit immerhin der drittgrößte Smartphone-Hersteller. In Kombination mit der Anbindung von iPhones via 5G an Apples Streamingdienste Apple TV+ und Apple Music, an den Game-Service Apple Arcade und an den Datenspeicherdienst iCloud könnte so relativ schnell die Nachfrage nach 5G-Angeboten steigen.
Das Henne-Ei-Problem der neuen Netze würde sich damit fast von selbst erledigen, denn wo eine Nachfrage ist, gibt es in der Regel auch bald ein Angebot. Mit etwas Glück könnten die neuen iPhones also letztlich die Killer-Anwendung werden, die dem 5G-Ausbau den nötigen Kick gibt, damit er endlich spürbare Formen annimmt.
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