»Sex/Life Talk« auf YouTube: Mama kommt gleich - DER SPIEGEL

Sex nach der Geburt, auslaufende Brüste – Themen, die in der erfolgreichen Netflix-Serie »Sex/Life« nur angekratzt werden. Richtig zur Sache geht es im zugehörigen Mütter-Talk mit Natascha Ochsenknecht.

Natascha Ochsenknecht moderiert den »Sex/Life Talk«.

Die Handlung ist platt, die Charaktere flach und die Bildeffekte trashig – die neue Netflix-Serie »Sex/Life« hat bis auf viel nackte Haut und attraktive Figuren erst mal nicht viel zu bieten. Trotzdem scheint sie einen Nerv zu treffen. Seit Wochen ist »Sex/Life« in Deutschland weit vorne in den Top 10 des Streamingdienstes, in anderen Ländern sieht es ähnlich aus.

In der US-Produktion geht es um Billie, Mutter und Ehefrau in einer Vorstadt in Connecticut. Sie liebt ihre kleinen Kinder, sie liebt ihren Mann, trotzdem ist sie irgendwie nicht glücklich. Nachdem sie zufällig ihren Ex-Freund Brad trifft, weiß sie, was ihr fehlt: wilder Sex, Party, Freiheit. Ihre Gefühle versucht sie nun zwischen auslaufenden Muttermilchbrüsten, Kita-Eingewöhnung und Kindergeburtstagsvorbereitung in den Griff zu bekommen.

Das wirkt auf den ersten Blick mutiger und offener als bisherige Netflix-Formate, die sich mit dem Muttersein beschäftigen. Trotzdem ist »Sex/Life« immer noch ziemlich weit weg vom echten Leben. Billies Körper ist wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter in Topform, ihr Mann verdient sehr viel Geld, sie selbst arbeitet überhaupt nicht, trotzdem unterstützt eine Nanny sie bei der Erziehung ihrer beiden Kinder. Billies Leben ist zu glatt, als dass man sich als ganz normale Mutter vollständig in sie hineinversetzen könnte.

Dafür gibt es jetzt den »Sex/Life Talk«. Begleitend zur Netflix-Serie moderiert Natascha Ochsenknecht eine Talkshow auf YouTube, in der Gäste wie Model Lilly Becker, Journalistin Mareice Kaiser, Podcasterin Leila Lowfire und Drehbuchautorin Jasmina Kuhnke darüber sprechen, wie es wirklich ist, Mutter zu sein. Anders als die Serien-Charaktere gehen sie dorthin, wo es weh tut – zu Dammrissen, Haarausfall, Gewichtsschwankungen und Schmerzen beim Sex.

»Ich habe 32 Kilo zugenommen und dachte, das wären das Baby und Wasser. Aber es war halt einfach nur Fett«, sagt Evelyn Weigert, die sich mit Leila Lowfire und Julia Knörnschild über Sex nach der Geburt unterhält. Alle drei sind erfahrene Podcasterinnen, das merkt man an der Ehrlichkeit und Offenheit des Gespräches. Sie schaffen es, die Dinge unaufgeregt, aber eindringlich auf den Punkt zu bringen. »Ich hatte einen Scheidenriss bis zur Klitoris und konnte erst neun Monate nach der Geburt wieder Sex haben«, sagt Lowfire. Das erste Mal sei dann so gewesen wie beim Analsex, ganz langsam, mit viel Gleitgel und Schmerzen. Abgesehen von den physischen Problemen sprechen die drei auch über die psychischen – wenn sich die Frau zum Beispiel mit ihrem veränderten Körper erst anfreunden muss. »Ich fühlte mich null sexy, hatte aber riesige Hupen«, sagt Lowfire.

Um Vergleiche zwischen Serienmama Billie und ihren Gästen zu ziehen, zeigt Ochsenknecht zwischendurch Ausschnitte aus der Serie. Zum Beispiel zum Thema Mom-Shaming: Billie ist unterwegs, ihre Brüste laufen aus. In einer öffentlichen Toilette muss sie ihre Milch ins Waschbecken laufen lassen, von anderen Frauen wird sie schief angeguckt.

Im Anschluss spricht die Runde über die eigenen, eher deprimierenden Erfahrungen: Als Jasmina Kuhnke, sie selbst ist schwarz, ihre Tochter in einem Café stillte, habe sich ein Pärchen darüber aufgeregt. »Meine Tochter ist hellhäutig, deswegen haben sie sie nicht mit mir in Verbindung gebracht. Sie dachten, ich wäre die Amme«, sagt sie. Um sich zu wehren, habe Kuhnke einfach das Tuch von ihrer Brust genommen und ihre Tochter noch demonstrativer gestillt. Ochsenknecht schüttelt den Kopf, auch die anderen Gäste sind erstaunt. Je verschiedener die Frauen sind, die im Talk zu Wort kommen, desto deutlicher wird, mit welchen unterschiedlichen Belastungen sie umgehen müssen.

Die Frauen, mit denen Ochsenknecht spricht, sind moderne Mütter. Die meisten von ihnen sind erfolgreiche Influencer auf Instagram, ihre Accounts richten sich an junge Mütter oder die, die es werden wollen. Auch wenn noch mehr Abwechslung der Gästeliste sicher gutgetan hätte, bilden die Frauen ein breites Spektrum an verschiedenen Lebensrealitäten ab. Haustein arbeitet in Vollzeit, Kaiser teilt sich das Sorgerecht mit ihrem Ex-Partner.

Auf den ersten Blick scheinen sie alle der Zwickmühle zwischen Muttersein und Selbsterfüllung entronnen zu sein, aber so ist es nicht. Schuldgefühle haben trotzdem alle, und Kritik von vielerlei Seiten gibt es immer – entweder weil die Frauen arbeiten oder zu Hause bleiben, weil das Kind zu viel Zeit in der Kita verbringt oder zu wenig. Die oft überzogenen, widersprüchlichen Erwartungen, die an Mütter gestellt werden, sind ein Problem.

»Man darf einfach nicht glücklich sein«, sagt Natascha Ochsenknecht einmal. Sie ist um die 20 Jahre älter als die Frauen, die sie im Talk interviewt. Sie hat selbst drei Kinder und kann sich gut in die Mütter hineinversetzen. Zwischendurch erzählt sie aus ihrem Leben, lässt den Müttern aber genügend Raum und Zeit, ihre eigenen Erfahrungen zu teilen. Auch sie musste sich vom überhöhten Mutterideal verabschieden. Das sei gar nicht so einfach gewesen, vor allem nicht beim ersten Kind. Bis dahin, darin sind sich alle einig, helfe eine gewisse Lässigkeit. Und darüber zu sprechen.

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